Mehr Hass im Netz auf Politiker

Politiker sehen sich im Internet zunehmend Bedrohungen und Hass ausgesetzt. Eine Studie zeigt: Die Hälfte der Betroffenen fürchtet um ihre Sicherheit oder die ihrer Familien. Darunter ist auch CDU-Politikerin Yvonne Magwas.
Von Anna Lutz

Im Sommer 2024 gab die CDU-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas bekannt, nicht mehr für den Bundestag kandidieren zu wollen. Grund für ihre Entscheidung sei unter anderem das politische Klima in Deutschland, besonders in ihrem Heimatland Sachsen: „Es wird gelogen, diskreditiert, gehetzt“, erklärte sie laut der Zeitung „Die Welt“. Eine junge Politikerin zieht sich zurück, weil sie Hass und Hetze nicht mehr aushalten will. Laut einer am Mittwoch erschienen Studie könnte Magwas eine von vielen sein. 

Denn eine Befragung der Technischen Universität München unter Politikern und anderweitig politisch Engagierten zeigt: Mehr als die Hälfte sieht sich von digitaler Gewalt betroffen. Frauen sehen sich demnach häufiger angefeindet als Männer. Und auch die Art der Gewalt scheint sich zu unterscheiden: Männliche politisch Engagierte erklären häufiger, ihnen würde im Netz physische Gewalt angedroht. Frauen begegneten eher sexualisierten Formen von Gewalt oder Sexismus. 

Vor allem Frauen erwägen, sich zurückzuziehen

Politikwissenschaftlerin Janina Steinert von der TU München schließt außerdem aus ihrer Befragung von 1.000 Personen, dass jene, die von digitaler Gewalt betroffen sind, häufiger auch Gewalt im analogen Raum erfahren. Zwei Drittel gaben an, das erlebt zu haben. Das hat Folgen: 56 Prozent der befragten Frauen und 47 Prozent der Männer fürchten demnach um ihre oder die Sicherheit ihrer Familie. Vor allem Frauen ziehen deshalb in Erwägung, sich aus der Politik zurückzuziehen. Bei ihnen sind es 22 Prozent, bei den Männern zehn. 49 Prozent der Männer und 66 Prozent der Frauen fühlten sich mit der Gewalt alleingelassen, die überwiegende Mehrheit wünscht sich mehr Solidarität.

Foto: HateAid
Eine Abrissbirne namens Hass: Aktion von „HateAid“ am Mittwoch vor dem Bundestag

Die Befragung im Auftrag der Nichtregierungsorganisation „HateAid“ wurde zwischen April und Oktober des vergangenen Jahres durchgeführt. Zu den 1.114 politisch engagierten Personen gehören mit 67 Prozent überwiegend Politiker auf kommunaler, Landes-, Bundes-, und EU-Ebene, Politiker, aber auch Influencer oder Aktivisten sowie Journalisten. Repräsentativ will die Studie nicht sein, Verzerrungen sind nicht ausgeschlossen. Zwar seien alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages, der Landtagsfraktionen sowie der deutschen EU-Fraktionen angeschrieben worden. Doch die Teilnahme sei freiwillig gewesen und die Parteien deshalb unterschiedlich häufig vertreten. Union, SPD und Grünen kamen am häufigsten zu Wort, ebenso wie einige FDP-Politiker. Rückmeldungen aus AfD und Linkspartei waren hingegen selten.

„Politiker sind kein Freiwild“

Zu denen, die öffentlich über den Druck und den Hass im Netz sprechen, gehört Magwas. Sie war auch bei der Vorstellung der Studie in Berlin digital dabei und sprach von einer „Radikalisierung“ der Lage. Sie erlebe „Erniedrigungen, Einschüchterungsversuche und richtigen Hass“, vor allem nach Ordnungsrufen, die sie im Deutschen Bundestag als Präsidentin gebe.  So habe sie der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner online als „bemerkenswert dumme Vizepräsidentin“ bezeichnet, eine Äußerung, die sie angezeigt habe. Doch nach der Anzeige sei alles noch schlimmer geworden. Es folgten Beleidigungen wie „Völkermörderin“ oder Aufrufe zu Gewalt gegen sie. Als schließlich auf einer Demonstration bei einer Rede neben ihr ein Sprengsatz gezündet wurde, habe sie einen Schlussstrich gezogen, sich gefragt: „Muss man sich das hier weiter antun?“ Denn sie ist sich sicher: „Politiker sind kein Freiwild“, und: „Beleidigung ist keine Meinung, sondern eine Straftat.“ Deshalb forderte sie nun eine bessere und schnellere Strafverfolgung digitaler Gewalt und mehr Zivilcourage von allen Beteiligten. „Demokratie lebt vom Mitmachen, aber wenn Menschen da nicht mehr mitmachen, weil sie Hass und Hetze ausgesetzt sind, dann ist unsere Demokratie gefährdet.“

Dem stimmen auch die Macher der Studie zu. Die Geschäftsführerin von „HateAid“, Anna-Lena von Hodenberg, erklärte: „Digitale Gewalt beeinflusst, wie Politik ausgeübt wird.“ Wer nichts dagegen tue, riskiere, „dass Menschen am Ende nicht mehr bereit sind, diesen Job zu machen“.

Deshalb forderte sie Parteivorsitzende auf, Kandidaten besser zu schützen, etwa durch parteiinterne Anlaufstellen. Denn: „Ein Angriff auf ein Parteimitglied ist immer auch ein Angriff auf die ganze Partei und auf die demokratische Struktur.“ Des Weiteren plädiert „HateAid“ für konsequente Strafverfolgung, auch im digitalen und privaten Raum. Plattformen müssten zudem nach demokratischen Grundwerten reguliert werden. 

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