In den vergangenen Wochen haben viele pro-palästinensische Demonstrationen das Bild europäischer Städte geprägt. Nicht selten gingen diese mit Ausschreitungen einher. Solidaritätskundgebungen mit dem überfallenen jüdischen Staat hielten sich dagegen in Grenzen – hinsichtlich der Anzahl und der Größe. So versammelten sich zwei Tage nach dem Hamas-Terror rund 2.000 Menschen in Berlin, während in London, Brüssel und anderswo zehntausende Menschen „in Solidarität mit den Palästinensern“ auf die Straße gehen.
Doch in Berlin gingen am Sonntag nach Polizeiangaben nun auch zehntausend Menschen auf die Straße, um sich mit Israel zu solidarisieren. Auf der Straße des 17. Juni, zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule, waren dutzende Israel-Fahnen und Bilder der von der Hamas entführten Geiseln zu sehen. Die Veranstalter sprachen sogar von bis zu 25.000 Demonstranten. Damit dürfte die Kundgebung in Berlin einer der größten ihrer Art in Europa gewesen sein. In London gingen laut der Nachrichtenagentur „Reuters“ ebenfalls am Sonntag bis zu 20.000 für Israel auf die Straße. Aufgerufen in Berlin hatte ein breites Bündnis, bestehend aus verschiedenen Organisationen, Kirchen, Gewerkschaften und Parteien.
Steinmeier: Jeder muss Auschwitz kennen
In seinem Redebeitrag rief Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier alle Deutschen zum Schutz jüdischen Lebens auf. Das sei Staatsaufgabe, aber auch Bürgerpflicht. Zudem sagte Steinmeier: „Jeder, der hier lebt, muss Auschwitz kennen und die Verantwortung begreifen, die daraus für unser Land erwächst.“ Für Steinmeier sei es „unerträglich, dass Jüdinnen und Juden heute wieder Angst haben – ausgerechnet in diesem Land“. Jeder einzelne Angriff auf Juden und auf jüdische Einrichtungen sei „eine Schande“ für Deutschland, die ihn mit Scham und Zorn erfülle.
Israel Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, forderte „null Toleranz für jede Form von Antisemitismus“. Parolen wie „Tod den Juden“ dürften auf deutschen Straßen nicht geduldet werden. Zudem warnte Prosor vor einer Ausbreitung des Terrors – auch in Deutschland. Mit Blick auf eine mögliche Bodenoffensive der israelischen Armee im Gazastreifen, sagte Prosor: „Wir müssen jetzt im Gazastreifen die gesamte Infrastruktur des Terrors beseitigen – und wenn wir das tun, möchte ich wirklich kein ‚Ja, aber‘ mehr hören.“ Diesmal werde Israel „bis zum Ende gehen“.
„Jedes ‚Ja, aber‘ verharmlost“
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Annette Kurschus, bezeichnete am Sonntag Antisemitismus als „Gotteslästerung“. Für Judenhass gebe es keine Rechtfertigung – auch nicht für das Massaker vom 7. Oktober. „Jedes ‚Ja, aber‘ verharmlost.“
Antisemitismus komme, so Kurschus, aus unserer christlichen Geschichte, und er keime in unserer Mitte: „Antisemiten sind auch unter unseren Kirchenmitgliedern. Das ist weder schicksalhaft noch gottgegeben. Wir haben es nicht ernst genug genommen. Es lässt sich verändern. Wir werden weiter dagegen arbeiten. Unbedingt.“
Spitzenpolitiker zeigen Solidarität
An der Demonstration nahmen auch zahlreiche Spitzenpolitiker teil. SPD-Co-Chefin Saskia Esken betonte: Wer Juden angreift, „greift uns alle an“. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte mehr Einsatz, um die Geiseln zu befreien. Der Grünen Co-Vorsitzende Omid Nouripour betonte: „Wir stehen geschlossen an der Seite Israels.“ Und FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte, in der Solidarität mit Israel nicht nachzulassen. Vertreter der AfD waren nicht eingeladen.