„Nur wer den Medien einigermaßen vertraut, beteiligt sich an Wahlen und akzeptiert demokratische Entscheidungen.“ Das sagte Marlis Prinzing, Journalismus- und Ethikforscherin und Studiendekanin an Hochschule Macromedia Köln, bei einer Online-Diskussionsveranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) am Donnerstag. Es ging um die Frage, wie der Journalismus mit Glaubwürdigkeits- und Vertrauensproblemen umgehen kann. In einer Krise wie in der aktuellen Pandemie werde das Vertrauen an die Medien besonders auf den Prüfstand gestellt, sagte Prinzig.
Für Journalisten sei darüber hinaus ein ethischer Kompass wichtig. Er helfe, Dinge einzuordnen und zu reflektieren – eine wichtige Aufgabe des Journalismus. „Wahrheit, Wahrhaftigkeit und Transparenz sind der ethische Kompass“, sagte Prinzig. Im journalistischen Alltag manifestiere der sich zum Beispiel im Pressekodex. Journalismus müsse kritisch sein und dürfe sich auch nicht davor scheuen, an etablierten Institutionen Kritik zu üben, wenn das angebracht sei. Als Beispiel nannte Prinzig die Lockdown-Politik. Wenn es zum Beispiel zu Grundrechtseinschränkungen komme, müsse das im Journalismus kritisch begleitet und eingeordnet werden.
Erklären, wie Journalisten arbeiten
Die Teilnehmer der Diskussionsrunde beschäftigten sich darüber hinaus mit der Frage, wie fehlendes Medienvertrauen wiederhergestellt werden kann. Die Diskutanten waren sich einig, dass ein Grund für fehlendes Vertrauen häufig zu wenig Medienkompetenz bei den Konsumenten ist. Viele Menschen verwechselten zum Beispiel Meinung und Fakten, sagte Alice Echtermann, stellvertretende Leiterin von CORRECTIV.Faktencheck. „Viele Menschen halten einen Kommentar für Fakten, selbst wenn das ersichtlich ist. Sie regen sich darüber auf und beziehen den Inhalt dann auf die ganze Redaktion. Dem ganzen Medium wird dann nicht mehr getraut“, schilderte sie ihre Erfahrungen. Die Folge sei, dass die Menschen vermehrt zu Online-Blogs wechselten, die erst recht nicht zwischen neutraler Berichterstattung und Meinungsstücken differenzierten. Aber „das ist den Leuten egal, weil es deren Meinung unterstützt“, sagte sie. In ihrer täglichen Arbeit müsse sie zudem oft klarstellen, dass Bilder, die Bekannte auf Facebook teilen, nicht gleichzustellen seien mit Bildern oder Berichten, die etablierte Medien auf Facebook teilen. „Viele Menschen behandeln Informationen gleichwertig.“
Der Sprecher des Deutschen Presserats und Chefredakteur Digital der Allgäuer Zeitung, Sascha Borowski, sagte, Journalisten müssten mehr Zeit darauf verwenden, zu erklären, wie eine Redaktion arbeite und wie Recherche funktioniere. „Wir haben ein Handwerk zu erklären“, sagte er. Transparenz sei wichtig. Wenn zum Beispiel öffentlich ein Fehler gemacht worden sei, müsse der auch für den Leser ersichtlich korrigiert werden. Sonst verliere man die Glaubwürdigkeit. Er forderte, dass auch an Schulen mehr Wert auf die Vermittlung von Medienkompetenz gelegt werde.
Gerhard Kohlenbach, Chefredakteur Nachrichten der RTL News GmbH, ergänzte, man müsse den Menschen vermitteln, dass „wir nicht die abgehobenen Leute von der Presse sind, die mit den Politikern unter einer Decke stecken“. Auf der anderen Seite brauche es eine gewisse Grundbildung beim Publikum, was den Umgang mit digitalen Plattformen angehe.
Mehr Vielfalt abbilden
Um Vertrauen in die Medien zu schaffen, sei es außerdem wichtig, die Lebenswirklichkeit der Menschen abzubilden. Die Menschen müssten sich ernst genommen fühlen. Darüber waren sich alle Diskutanten einig. Das sei aber, besonders im Lokaljournalismus, eine Frage von Ressourcen. „Ich brauche Menschen, Handwerk, Zeit“, sagte der Presserats-Sprecher Borowski. Kohlenbach führte als negatives Beispiel die Berichterstattung über die Flüchtlingskrise 2015 an. „Viele Medien haben nur die Willkommenskultur publik gemacht.“ Viele Sorgen der Menschen seien nicht ernst genommen und abgebildet worden. Das habe dann Gegenbewegungen wie Pegida befeuert.
Auch in der Journalistenausbildung müsse man mehr Wert darauf legen, alle Bereiche der Gesellschaft abzudecken. „Ich erlebe oft, dass die Probleme der ‚einfachen Menschen‘ belächelt werden. Wir machen Programm für den Mainstream, für die Masse“, sagte Kohlenbach. Viele Probleme aus anderen Gesellschaftsschichten kämen da gar nicht vor. Ethikerin Prinzig forderte deshalb mehr Diversität in den Redaktionen. Wenn Journalisten selbst Vielfalt abbildeten, tue das auch die Berichterstattung.
2 Antworten
Dass ein „Relotius“ jahrelang frei erfunden Lügengeschichten erzählte, allerdings damit auch bestimmte politische Einstellungen bediente, ja selbst Reporterpreise zahlreich dafür nach Hause trug, das ist sicher unvergessen.
Viermal hatte der „Spiegel“-Redakteur Claas Relotius den renommierten Deutschen Reporterpreis erhalten. – Wie hätte so etwas bei „gutem Handwerk“ der Spiegel-Redaktion oder der Preis-Jury überhaupt passieren können?
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/juan-moreno-lernt-abermals-den-relotius-komplex-kennen-16451523.html
Und auch dieses hat kein Vertrauen geschaffen: „Viele Medien haben nur die Willkommenskultur publik gemacht.“
Noch schlimmer, es wurden kritische Ereignisse gezielt unterschlagen, ausgerechnet vom „Nachrichten-Leitmedium“ der „tagesschau“:
„Die „Tagesschau“ hat tagelang über den Fall Maria L. geschwiegen. Jenen Fall einer 19 Jahre alten Studentin, die in der Nacht auf den 16. Oktober in Freiburg vergewaltigt und getötet wurde.
Vor wenigen Tagen wurde der mutmaßliche Täter gefasst. Er ist 17 Jahre alt und kam 2015 als unbegleiteter Flüchtling aus Afghanistan nach Deutschland.
Das Verbrechen ist grausam – unabhängig davon, wer es begangen hat.
Doch wenn die Redaktion von Deutschlands größter Nachrichtensendung die Augen vor der Brisanz dieses Falles verschließt, hat sie einfach nichts aus dem vergangenen Jahr gelernt.
Ein Jahr, das mit den massenhaften sexuellen Übergriffen in der Kölner Silvesternacht begann.
Die „Tagesschau“ brauchte auch damals Tage, um zu verstehen, dass sie um dieses Thema nicht herumkommt.“
https://www.focus.de/kultur/medien/bericht-kam-drei-tage-zu-spaet-der-tragische-fall-maria-l-zeigt-dass-die-ard-nichts-aus-der-silvesternacht-gelernt-hat_id_6299856.html
und auch hier:
>>Wie Kai Gniffke, der Chefredakteur der für die „Tagesschau“ zuständigen Redaktion „ARD aktuell“ meint, hatte sie es mit guten Gründen nicht. „Die ,Tagesschau’ berichtet über gesellschaftlich, national und international relevante Ereignisse. Da zählt ein Mordfall nicht dazu.“<<
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/tagesschau-berichtet-nicht-ueber-ermordete-studentin-in-freiburg-14560129.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2
Da können sie „erklären“ wie sie wollen. Mein Vertrauen würden sie nur zurück bekommen, wenn sie die Wahrheit berichten und sich für ihre Lügen entschuldigen.