Der Kommunikationswissenschaftler Nikolaus Jackob hat der Vorstellung, dass ein „hohes Medienvertrauen normativ etwas Gutes“ sei, eine Absage erteilt. Grundsätzlich benötige eine Demokratie ein gewisses Maß an Vertrauen in ihre Institutionen, stellt der Mitautor der „Langzeitstudie Medienvertrauen“ in einem Interview mit der „Welt“ fest.
„Die Vertrauensforschung zeigt aber, dass nur Systeme, die nicht demokratisch sind, Vertrauensquoten von 80 oder 90 Prozent erreichen“, erklärte Jackob, und weiter: „Eine gewisse Skepsis des mündigen Bürgers gegenüber den Institutionen ist nützlich, das impliziert auch die Demokratietheorie.“ Aktuelle Werte bezüglich des Medienvertrauens bezeichnete der Wissenschaftler als „relativ normal“.
Quellen des Zynismus erforschen
Ergebnisse der „Langzeitstudie Medienvertrauen“ der Universität Mainz von Mitte April für das Jahr 2023 hatten gezeigt, dass das Vertrauen der Bürger in die Medien moderat sank und sich weiter dem Zustand vor der Corona-Krise annäherte, und insgesamt die Entfremdung von Medien und Bevölkerung leicht zunahm.
Die Wissenschaftler stellten laute einer Pressemitteilung in der Langzeitstudie eine „wahrgenommene Entfremdung zwischen der ‚Welt der Medien‘ und der Alltagswelt“ der Menschen in Deutschland fest. Im Jahr 2023 gaben demnach 22 Prozent der Befragten an, dass die Meinungen, die in den Medien vertreten würden, ganz andere seien als die eigenen. Für weitere 45 Prozent traf dies zumindest teilweise zu. Insgesamt ist 2023 die Entfremdung gegenüber dem Vorjahr leicht gewachsen und bewegt sich auch auf das Niveau vor der Pandemie zu.
Die Langzeitstudie offenbare nach Worten Jackobs jedoch „einen Kern von Menschen, die den Medien gegenüber sehr zynisch eingestellt“ seien und sagten, dass sie „systematisch belogen und manipuliert“ würden und Politik und Medien unter einer Deckte steckten. Was das Mediensystem betreffe, ist es nach Jackobs Einschätzung „absolut funktional und sinnvoll für die Gesellschaft, mit einer gewissen Skepsis auf einzelne Akteure zu schauen“. Blindes Vertrauen sei fehl am Platz. Allerdings wirke Zynismus zersetzend. Daher sollten die Ursachen und Quellen des Zynismus erforscht werden.
Die „Langzeitstudie Medienvertrauen“ wird seit dem Jahr 2015 von einem Forschungsteam des Instituts für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und des Instituts für Sozialwissenschaften der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf durchgeführt. Für die aktuellen Ergebnisse der repräsentativen Telefon-Umfrage wurden im November und Dezember 2023 1.200 Bürger im Alter ab 18 Jahren befragt.