Der Kommunikationswissenschaftler Hans-Jürgen Arlt attestiert dem Journalismus eine Vertrauenskrise. Einen Grund dafür sieht er im zunehmenden Aufmerksamkeitsjournalismus.
Nach Ansicht der stellvertretenden Chefredakteurin des Spiegels, Susanne Beyer, hätten viele Redaktionen „nicht mehr die Mittel und Möglichkeiten“, um umfassend zu recherchieren
Der Journalismus in Deutschland steckt nach Ansicht des Kommunikationswissenschaftler Hans-Jürgen Arlt in einer tiefen Vertrauenskrise. Ein Grund sei der ökonomische Druck in den Verlagen, der oft zu einem „Aufmerksamkeitsjournalismus“ führe, einer Art „Animationsarbeit“, die als Journalismus verkauft werden würde. Der Wissenschaftler sagte am Mittwoch beim „Mainzer Medien Disput“ in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Berlin, dass „nur mit der Produktion von Aufmerksamkeit auch Geschäft gemacht werden kann“. Dem widersprach der Chefredakteur der Tageszeitung taz, Georg Löwisch. Journalisten, die Aufmerksamkeitsjournalismus betrieben, nehme „niemand ernst“. „Wir haben schon immer Druck bekommen. Wir wollen nicht gefallen“, erklärte der Journalist in Bezug auf die taz.
Nach Ansicht von Susanne Beyer, stellvertretender Chefredakteurin des Nachrichtenmagazins Spiegel, hätten viele Redaktionen „nicht mehr die Mittel und Möglichkeiten“, um umfassend zu recherchieren. Darunter leide auch die Qualität des Journalismus. Ihrer Meinung nach müssten die Medien immer wieder prüfen, ob sie selbstkritisch seien und ihre „Schnittstellen zu den Lebenswelten“ weiterhin bestünden.
Misstrauen bis „in die bürgerliche Mitte“
Jörg Quoos, Chefredakteur in der Zentralredaktion Berlin der Funke Mediengruppe, richtete sich mit einem Appell an die rund 230 Zuhörer, unter denen zahlreiche Medienschaffende waren: „Wir Journalisten müssen den Oberlehrer ablegen.“ Seiner Meinung nach würde durch die Debatte um den Vorwurf der „Lügenpresse“ das Misstrauen gegenüber den etablierten Medien bis „in die bürgerliche Mitte“ hinein getragen. Quoos erklärte: „Wir lügen nicht.“ Allerdings dürfe in den Medien nicht der falsche Eindruck geweckt werden, es kämen ausschließlich syrische Arztfamilien als Flüchtlinge nach Deutschland. Der Journalismus in Deutschland müsse sich wieder einen besseren Ruf erarbeiten. „Es gibt kein Patentrezept, wie der Journalismus aus der Krise kommt“, sagte Quoos. Es gelte, Qualität abzuliefern, um aus der Kritik heraus zu kommen. Qualität sei jedoch mit Kosten verbunden. Er fragte: „Sind Sie am Ende bereit, zwei Euro für Ihre Tageszeitung auszugeben?“
Kritik an den Medien hält Stefan Niggemeier, Herausgeber des medienkritischen Bloggs uebermedien.de für „notwendig“ und „wünschenswert“. Journalisten kritisierten Politiker, warum „sollen sich Journalisten nicht untereinander kritisieren“, sagte Niggemeier. Seiner Ansicht nach werde „Medienkritik immer als eine Art Boxkampf verstanden“. Nach Meinung von Kommunikationswissenschaftler Arlt sei Journalimus schon immer mit Misstrauen konfrontiert gewesen. Darin liegt seiner Auffassung nach auch „eine konstruktive Kraft“. (pro)
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