Wie wird im Schulalltag auf die Medienwelten von Kindern und Jugendlichen eingegangen? Ist die Förderung von Medienkompetenz ausreichend in den Lehrplänen verankert? Unter dem Titel "Medienbildung – (k)ein Unterrichtsfach" haben Medienpädagogen der Universität Hamburg im Auftrag der Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein diese Fragen geprüft.
Das Ergebnis zeigt, dass zwar in allen Bundesländern theoretische Vorgaben zur Förderung von Medienkompetenz existieren, es aber an der konkreten Umsetzung mangelt. Auch von "einer medienpädagogischen Grundbildung in der Lehrerausbildung" könne keine Rede sein, sagt Rudolf Kammerl. Kammerl ist Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg und einer der beiden Leiter der Studie. "Es gibt zwar in vielen Bundesländern Rahmenpläne, die auf die Vermittlung von Medienkompetenz im Unterricht abzielen, aber die sind zu wenig konkret und haben eine zu geringe Verbindlichkeit", sagt er in einem Interview mit dem "Generalanzeiger Bonn". In den Lehrplänen der Unterrichtsfächer fehlen seiner Ansicht nach ausreichende Hinweise, wann was in welcher Jahrgangsstufe stattfinden sollte.
Er hält die Einführung eines eigenen Unterrichtsfachs "Medienkunde" für wünschenswert, weiß aber, dass dazu im Moment der Rahmen nicht gegeben ist. "Wir müssen unterscheiden zwischen Medienkunde, die eher die technischen Aspekte der Medien beleuchtet, und Medienbildung, die sich auch mit der Beurteilung von Medien und ihrer Anwendung befasst. Für ein eigenes Schulfach müssten natürlich entsprechende Unterrichtsmaterialien erstellt werden. Die gibt es momentan nicht." Als Alternative fordert er eine verbindliche Verankerung der Medienerziehung in den Fächern.
Seiner Ansicht nach müssen Schulen und Verantwortliche neu überdenken, wie Medienbildung in Zukunft mehr Gewicht bekommen könne. "Müssen nicht in einer Zeit, die extrem von digitalen Medien geprägt wird, andere Unterrichtsinhalte weniger Bedeutung bekommen?" Genau dies sei aber in der Praxis schwierig: "Diskutieren Sie mal mit einem traditionellen Deutschlehrer darüber, ob Hypertexte wichtiger sind als Gedichte", so der Medienexperte.
Neben einer Sicherung von Mindeststandards an allen Schulen sei eine medienpädagogische Grundbildung in der Lehrerausbildung dringend notwendig, sagt Kammerl gegenüber dem Internetportal "Lehrer Online". Zwar brächten viele Lehramtsstudierende Kenntnisse im Umgang mit Computer und Internet mit, dennoch seien sie "in Sachen Informationsrecherche und im Umgang mit Medien noch weit von einer Vorbildfunktion entfernt".
Kammerl mahnt auch die Kultusminister. Diese hätten bereits in den 90er Jahren beschlossen, die Medienpädagogik an Schulen zu stärken. "Die Frage muss erlaubt sein, warum so lange nichts passiert ist", so der Pädagoge. Er fordert die Bildungspolitiker auf, Medienpädagogik in Schulen langfristig zu fördern, statt "Projektemacherei" zu betreiben, bei der "Breitenwirkung und Nachhaltigkeit fehlen". Immerhin sei die Kompetenz, mit neuen Medien umzugehen, für die Studierfähigkeit eines jungen Menschen heute eine notwendige Voraussetzung. (pro)