Ein Schüler einer evangelischen Bekenntnisschule hat Bedenken, sich als schwul zu outen, weil Homosexualität an seiner Schule nicht gutgeheißen wird. Das ist der Ausgangspunkt einer Recherche eines WDR-Teams zu evangelischen Bekenntnisschulen. Sie wollen der Frage nachgehen, was diese Schulform ausmacht und welches Weltbild die Schüler dort vermittelt bekommen. Dabei geben sich die Journalisten unter anderem als interessierte Eltern aus, um an Informationen darüber zu gelangen, wie die Schulen mit dem Thema Homosexualität oder mit dem Schöpfungsbericht umgehen. In einem Beitrag der Radiosendung „Rheinblick“ des WDR von Mitte Dezember sprechen zwei Redakteurinnen und eine Volontärin über diese Recherche und die Erkenntnisse.
Darin fällt unter anderem die Aussage, dass viele Schüler evangelischer Bekenntnisschulen aus russlanddeutschen Familien kommen. Die hätten „über 200 Jahre ihren Glauben konserviert“ in der Form, „wie es damals üblich war, bevor die Evolutionstheorie oder Genderfragen diskutiert wurden“. Die Schulen würden auch deshalb staatlich gefördert, weil die Schüler so „zumindest formale Bildung“ erreichten. An anderer Stelle heißt es: „Vielleicht haben wir Glück, in 50 Jahren hat sich das dann auch in deren Glauben möglicherweise dann weiterentwickelt, wo hier dann die westlichen Kirchen vielleicht schon mal zwei, drei Schritte weiter sind.“
Verdeckte Recherche sei nicht zulässig
Daraufhin hat Wolfgang Stock, Generalsekretär des Verbandes Evangelischer Bekenntnisschulen, Programmbeschwerde gegen den WDR eingelegt. Der Beitrag zeichne sich aus „durch eine Überheblichkeit, eine ‚Aufgeklärtheit‘ gegenüber als ‚veraltet‘ dargestellten religiösen Bekenntnissen“. Die Beschwerde stellt klar, dass „die in der WDR-Sendung so rassistisch beschriebene Minderheit der russlanddeutschen Aussiedler und Spätaussiedler Überlebende einer grauenvollen, 70jährigen (sic!) Verfolgung durch das Sowjetregime sind“. Der Beitrag fördere das Zusammenleben verschiedener Kulturen im Land nicht und bilde diese Vielfalt nicht auf konstruktive Weise ab. Damit verletze er die Programmgrundsätze des Senders.
Weiterhin kritisiert Stock, die verdeckte Recherche sei unzulässig gewesen. Die sei nur gestattet, wenn es ein besonderes öffentliches Interesse an diesen Informationen gebe und wenn sie nicht auf andere Weise zu bekommen seien. Beides sieht Stock bei diesem Beitrag nicht gewährleistet. Die Autoren hätten etwa nicht versucht, die Behauptungen des homosexuell empfindenden Schülers im Gespräch mit dessen Schule ergebnisoffen zu überprüfen. Das verdeckte Recherchieren widerspreche damit dem Gebot der journalistischen Fairness und den Grundsätzen für die investigative Recherche.
In der Programmbeschwerde sind noch weitere Punkte angeführt, etwa dass die Rechtslage zu Bekenntnisschulen falsch wiedergegeben werde oder ein Vergleich zu einer islamischen Einrichtung gezogen wurde.
Am Ende des so kritisierten Beitrags stellt Heide Rasche, die Moderatorin der Gesprächsrunde, fest: „Man kann nicht alle über einen Kamm scheren. Es gibt da ganz viele Abstufungen, ganz viele Unterschiede.“
Von: Jonathan Steinert