pro: Was waren die Beweggründe, die „Lutherische Stunde“ 1959 ins Leben zu rufen, mit der Sie versuchen, Menschen über das Radio die biblische Botschaft zu vermitteln?
Helmut Poppe: In der Nachkriegszeit und den Aufbaujahren war es ein wichtiges Anliegen, die Menschen nicht nur materiell, sondern auch geistlich aufzubauen und ihr christliches Bewusstsein zu schärfen. Unsere Satzung verpflichtet uns dazu, mit der „Lutherischen Stunde“ evangelistische Beiträge für die Medien zu erstellen „und gegebenenfalls durch Freizeiten unter Gottes Wort, mit dem Ziel, Menschen in die lebendige Gemeinschaft der Kirche Jesu Christi zu führen“. All dies geschieht nach wie vor auf Grundlage des Lutherischen Bekenntnisses.
Was hat sich seitdem an der Ausführung des Auftrags verändert?
Es gibt zum einen eine politische Komponente: In unseren Anfängen hat der eiserne Vorhang Europa in zwei Teile getrennt. 30 Jahre nach der Wiedervereinigung erleben wir in Deutschland einen geistlichen Niedergang. Die Menschen verstehen den christlichen Glauben nicht mehr. Auch christliche Werte haben keine besondere Bedeutung mehr. In den kommunistischen Regimen zehrte fast der gesamte Ostblock sehnsuchtsvoll von unseren Sendungen, damals über Radio Luxemburg. Heute wenden wir uns hauptsächlich missionarisch an die Menschen, die nichts mehr oder noch nichts von Gott wissen oder keine Gottesdienste besuchen. Wir wollen sie in ihrem Alltag ansprechen. Zusätzlich bietet wir Materialien an, mit denen Christen mit Nicht-Christen über den Glauben ins Gespräch kommen können. In der Broschüre „Die Bibel für heute erklärt“ können die Menschen das Wissen über biblische Grundlagen vertiefen.
Welche Komponenten gibt es noch?
Dann gibt es noch die technische Komponente. Die Mediennutzung ist durch den medialen Fortschritt heute sowohl erschwinglicher als auch einfacher geworden. Zum Beispiel ist ein Studio mit geeigneten Mikrofonen an jedem Computer möglich. Außerdem gibt es durch die Digitalisierung eine größere Bandbreite an Sendern und damit auch an Sendemöglichkeiten.
Wie kann es gelingen, die frohe Botschaft zeitgemäß in der Moderne zu präsentieren?
Wir orientieren uns an Martin Luthers Motto „dem Volk aufs Maul zu schauen“. Wir wollen Gottes unverändert gültige Mitteilungen in heute verständlicher Sprache und über zeitgemäße Medien wie Internet, Smartphone-Apps, Videos, Telefonübertragung vermitteln, damit sie die Menschen der Gegenwart verständlich erreicht. Kontroverse gesellschaftliche Themen werden in Faltblättern aus biblischer Sicht beleuchtet.
Wie kann sich ein Laie die Arbeit praktisch vorstellen?
Autoren schreiben Texte zu Themen unserer Zeit. Die werden dann gesprochen, am PC geschnitten und zu fertigen Sendungen produziert. Als mp3-Dateien werden die produzierten Sendungen zu den Radioanstalten „Radio 700“ und „Radio HCJB Deutschland“ gesendet. Dort hat die Lutherische Stunde vertraglich zugesicherte, mehrmals tägliche Sendezeiten. Außerdem schreiben lutherische Autoren auf Anfrage Artikel zu Themen, die in einer kleinen Zeitschrift mit dem Namen „Stimme mit Standpunkt“ erscheinen. Außer der Geschäftsführerin arbeiten alle Mitarbeiter ehrenamtlich.
Wenn Sie Ihre Organisation mit drei Attributen beschreiben müssten. Welche wären das?
Wir wollen missionarisch, klar auf Christus zentriert, das bedeutet für uns auf dem Boden der Lutherischen Bekenntnisse, und uneigennützig sein. Unser Angebot ist kostenlos zugänglich, setzt allerdings voraus, dass genügend Spenden eingehen, die unsere Arbeit finanziell tragen.
Wie sind Sie für die Zukunft gerüstet?
Unsere Zuversicht gründet auf der biblischen Zusage: „So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!“ (2. Korinther 5, 20). Unter diesem Motto wird auch ein Dank-Gottesdienst anlässlich des Jubiläums am 22. September in Krelingen stehen. Im Blick auf die Finanzen sind wir auf das Mittragen und den Rückhalt unser Hörer und Leser angewiesen. Wir brauchen auch ihre Gebete, damit die gute Botschaft von Jesus Christus auch durch uns noch mehr Menschen erreichen kann. Wir planen noch weitere Maßnahmen in den sozialen Medien. Es gibt die zwei YouTube-Kanäle Lumemifilm und Kommundsieh, der sich an Kinder richtet. Personell haben wir vor einem Jahr unser ehrenamtliches Vorstandsteam verjüngt. So können wir auch neue Möglichkeiten und Herausforderungen angehen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Zur Geschichte: Als der Rundfunk noch in den Kinderschuhen steckte, hatte der amerikanische Theologieprofessor Walter A. Maier die Idee, das Medium Hörfunk zu nutzen, um die biblische Botschaft zu verbreiten. Er war begeistert von der damals revolutionären Möglichkeit, über Radiowellen eine Zuhörerschaft von nie gekannter Größe zu erreichen. Seit dem 2. Oktober 1930 wurden in den USA Sendungen unter der Bezeichnung „The Lutheran Hour“ (Die Lutherische Stunde) ausgestrahlt. Das Motto: „Christus für alle Völker“ ist auch für heute wegweisend. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich die Lutherische Stunde weltweit. Die deutsche Lutherische Stunde in Sottrum bei Bremen (www.lutherischestunde.de) wurde durch Pastor Hans Lutz Poetsch und Pastor Horst Neumann maßgeblich geprägt. Nachdem sie in der Anfangszeit noch teilweise aus den USA unterstützt wurde, ist der eingetragene Verein seit über 20 Jahren finanziell und organisatorisch völlig eigenständig. Durch die digitalen Möglichkeiten ist die Lutherische Stunde zu einer kleinen Medienmission geworden. Sie verbreitet das Evangelium über Medien und hilft Christen, über ihren Glauben zu reden, indem sie Hörbeiträge für Radio, Internet, Phonecast (Sendung über Telefon) produziert und Faltblätter, Broschüren sowie CDs/DVDs herausgibt. Ziel ist es nach eigenen Angaben, Jesus Christus als Heiland und Erlöser zu bezeugen. Dies geschieht aufgrund der heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments als Regel und Richtschnur des christlichen Glaubens und Lebens, wie sie in den Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Reformation ausgelegt und bekannt wird. Die Medienmission steht in Partnerschaft mit der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK). Die Arbeit finanziert sich durch Spenden und Kollekten. Der 60. Geburtstag soll am 22. September 2019 mit einem Dankgottesdienst im Geistlichen Rüstzentrum Krelingen gefeiert werden.
Die Fragen stellte Johannes Blöcher-Weil