Journalisten beschwören „in ritualisierter Weise“ einen neuen Faschismus herauf. Das erklärte Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen am Dienstag bei der Netzkonferenz Republica in Berlin. Ereignisse wie die ausländerfeindlichen Demonstrationen in Chemnitz oder ein aggressives Auftreten der AfD im Deutschen Bundestag deuteten sie als Niedergang der Gesellschaft. Zwar sei es notwendig, vor schlechten Entwicklungen zu warnen. Wer aber in allem neue Anzeichen für das Ende der Demokratie sehe und dies auch so berichte, schaffe eine selbsterfüllende Prophezeiung und kreiere Angst. „Dies in einer Zeit, in der die Mitte der Gesellschaft doch vor allem eines bräuchte: Mut“, sagte Pörksen.
Von der Euphorie in der Netzgesellschaft aus der Anfangszeit sei kaum etwas übrig geblieben. Populismus, Facebook-Skandale und Überwachungskapitalismus hätten die Welt erschüttert. „Heute ist aus der Utopie des Anfangs die Dystopie des Niedergangs geworden“, sagte Pörksen. Irgendwann aber werde aus der berechtigten Warnung vor diesen Entwicklungen die endgültige Entmutigung der Engagierten. „Natürlich, man muss warnen“, sagte Pörksen. Doch wer etwa mit der Rede von der postfaktischen Gesellschaft davon ausgehe, alle Mediennutzer seien manipuliert, entmündige die Menschen. Es komme ein Gefühl der Wehrlosigkeit auf – und damit eine eigene Form von Autoritarismus.
Stattdessen plädiert Pörksen für ein Schulfach, das schon Kindern Medienkompetenz näher bringt. Der Journalismus selbst müsse sich umorientieren: „Die Zeit der Kanzelreden, des Wahrheit-Verkündens ist vorbei.“ Heute müssten Medien den Dialog mit dem Publikum suchen. Die Leser und Zuschauer sollten verstehen, wie Journalisten arbeiten und wie die Spielregeln der Branche funktionieren. Und: „Plattformmonopolisten“ wie die Betreiber von Facebook oder Twitter müssten an ihre Verantwortung erinnert werden, einerseits Inhalte zu regulieren, aber die Kommunikationsfreiheit nicht zu stark zu beschneiden. Pörksen fordert deshalb einen „Plattformrat“. Der sollte sich aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen zusammensetzen und dessen Mitglieder die Mechanismen öffentlich erklären, nach denen Soziale Medien arbeiteten.
Von: Anna Lutz