Die Autoren des Boston Globes schreiben: „Eine Säule der Politik von Präsident Donald Trump ist der anhaltende Angriff auf die freie Presse. Journalisten werden nicht als amerikanische Mitbürger eingestuft, sondern als Feind des Volkes.“ Das habe gefährliche Konsequenzen, heißt es weiter. Die Journalisten rufen die Redaktionen aller Zeitungen im Land dazu auf, gegen diesen Umstand in ihren Publikationen zu protestieren.
„Die freien Medien durch staatsgeleitete Medien zu ersetzen, war schon immer die Handhabe von korrupten Regimen, die ein Land übernehmen wollten“, schreiben die Autoren. Präsident Trump wiederhole das Mantra, dass die Journalisten die Feinde des Volkes seien. „Das ist eine von vielen Lügen, die der Präsident von sich gegeben hat, so wie ein Scharlatan früherer Zeiten, der ‚Magischen Staub‘ oder Wasser auf eine Menschenmenge voller Hoffnung geworfen hat.“
Erst im vergangenen Monat habe Trump vor einer Menschenmenge in Kansas gesagt: „Kommt mit uns, glaubt nicht diesem Müll, den ihr von diesen Menschen hört, das sind ‚Fake News‘. Denkt dran: Was ihr seht und was ihr hört, ist nicht das, was wirklich passiert.“ Die Autoren vom Boston Globe erinnern an die Novelle „1984“ von George Orwell, in der es heißt: „Die Partei hat euch gesagt, die Beweise in euren Augen und Ohren abzulehnen. Es war ihr letzter und effektivster Befehl.“ Kollegen der Washington Post hätten recherchiert, dass Donald Trump in den ersten 558 Tagen seiner Präsidentschaft 4.229 falsche oder irreführende Aussagen gemacht habe.
Viele sehen in der Presse einen „Feind des Volkes“
Der Boston Globe zitiert John Adams, einen der Gründerväter der USA und von 1797 bis 1801 der zweite Präsident der Vereinigten Staaten, mit den Worten: „Die Freiheit der Presse ist wesentlich für die Sicherung der Freiheit.“ US-Präsident Ronald Reagan (1911–2004) habe erklärt: „Unsere Tradition der freien Presse ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Demokratie und so wichtig wie nie zuvor.“ Dieses Prinzip habe zwei Jahrhunderte erfolgreich Journalisten beschützt und in freien Nationen weltweit als Vorbild gedient. Nun aber stehe es unter Beschuss. Im Aufruf heißt es: „Und dies ist ein Signal an die Despoten von Ankara bis Moskau, von Peking bis Bagdad, dass Journalisten wie Feinde im eigenen Land behandelt werden können.“
Weiter schreiben die Autoren, die freie Presse sei deswegen so wichtig, weil sie Führern nicht automatisch vertraue, seien es lokale Politiker oder die im Weißen Haus. „Es ist kein Zufall, dass dieser Präsident, dessen Finanzangelegenheiten dunkel sind und dessen verdächtige Verhaltensmuster sein eigenes Justizministerium dazu veranlassten, eine unabhängige Untersuchung einzuberufen, so sehr versucht, Journalisten einzuschüchtern, eine unabhängige Untersuchung ermöglichen.“
Offenbar habe der Präsident Erfolg mit seinen Angriffen, denn gemäß einer Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Ipsos in diesem Monat durchgeführt hat, glauben 51 Prozent der Republikaner, die Presse sei „eher ein Feind des Volkes als ein wichtiger Teil der Demokratie“. Außerdem findet mehr als ein Viertel der Amerikaner, dass der Präsident die Macht haben sollte, Medienhäuser zu schließen, die sich „schlecht benehmen“.
„Die freie Presse braucht euch“
Tatsächlich folgten über 350 Zeitungen dem Aufruf der Boston Globe und veröffentlichten eigene Texte zum Thema Pressefreiheit in den USA unter dem Hashtag #freepress. Die New York Times veröffentlichte ein Editorial, in dem sie darauf hinwies, dass der Oberste Gerichtshof 1964 erklärte: „Der öffentliche Diskurs ist eine politische Pflicht“, die manchmal auch „vehemente, bissige und manchmal unangenehm scharfe Angriffe auf die Regierung und die Volksvertreter“ beinhalte. Der Text war überschrieben mit: „Die freie Presse braucht euch“.
John Diaz vom San Francisco Chronicle schrieb in seinem Editorial: „Es passt zu Trumps Darstellung, dass die Medien vereint gegen ihn sind.“ Er sagte voraus, dass Trump nun von einer geheimen Absprache reden werde und diesen Tag des Protestes benutzen werde, um seine These von den „Fake News“ zu bestärken. Auch Fernseh- und Radiosender griffen das Thema auf. Der CNN-Kommentator Brian Stelter sagte: „Diese Maßnahme ist der Beweis dafür, dass Journalisten und Kommentatoren im ganzen Land das Gefühl haben, angegriffen zu werden. Sie wollen sich mitteilen und ihren Beruf als Journalisten verteidigen.“ Manny Garcia, Kommentator des Nachrichtennetzwerks USA Today schrieb in einem Editorial: „Die Reporter sind nicht die Feinde des Volkes.“ Ihre Arbeit sei eine ehrliche Arbeit, die oft unsichtbar für die meisten Augen stattfinde, so wie die von Krankenpflegern, Lehrern und Polizisten.
Von: Jörn Schumacher