Anlass war die Diskussion „Verzerrte Wahrnehmung? Das Russland-Bild in deutschen Medien“ auf der „Netzwerk-Recherche“-Jahreskonferenz am Freitag, 29. Juni, in Hamburg. Neben Gloger waren auch Ulrich Schmid, Professor mit den Schwerpunkten Nationalismus in Osteuropa und Russische Medientheorie an der Universität St. Gallen, und der Medienwissenschaftler Michael Haller zu Gast.
Haller sagte, das Russlandbild in den westlichen Medien habe sich in den vergangenen 20 Jahren verändert. Die Russlandberichterstattung sei stark auf die Person Putin personalisiert und emotionalisiert. Das von Putin symbolisierte Russland löse Angst und Beunruhigung aus. „Hier ist eine regelrechte Dämonisierung festzustellen“, sagte er. Putin werde viel unterstellt, für das die Belege fehlten. Berichte, die dem widersprächen, finde man nur noch selten. Statt verständigungsorientiert werde ausgrenzend berichtet. Er berief sich bei diesem Befund auf Abschlussarbeiten an Universitäten, die quantitative Erhebungen zum Russlandbild in den Medien durchgeführt hätten. Grund sei auch eine tiefe Enttäuschung darüber, dass sich die russische und die westliche Politik nicht aufeinander zubewegt hätten, wie in den 80er-Jahren erwartet. Als Beispiel für eine „sehr stark vorurteilsgeprägte Haltung“ nannte er die schnelle Schuldzuweisung am Giftanschlag auf den Ex-Spion Skripal durch das Titelbild des Spiegels mit der Zeile „Todesgrüße aus Moskau“.
„Dr. Schiwago-und Balalaika-Romantik“
Die Gäste waren sich einig, dass Deutschland und Russland eine besondere Beziehung hätten, nicht aber, worin sie genau bestehe oder wie sie zu bewerten sei. Gloger attestierte den Ländern eine Hassliebe „mit einem doch sehr tiefen Band“ und sagte: „Ich glaube, es gibt bei den Deutschen ein tiefliegendes Gefühlt, dass man sich mit den Russen nicht streiten sollte.“ Für die einen habe das etwas mit Angst zu tun, für andere mit Dr. Schiwago-und Balalaika-Romantik. Einige waren sie sich auch, dass das Russlandbild stark durch Putin geprägt würde.
Haller wurde jedoch aus dem Publikum mehrfach stark kritisiert und auch die anderen Gäste widersprachen ihm in mehreren Punkten. Schmid sagte, es gebe mehrere Russlandbilder, die deutschen Qualitätsmedien würden „einen sehr guten Job“ machen. Mit der Annexion der Krim gebe es außerdem einen Grund für die Kritik an Putin.
Gloger berichtete, wie schwierig es geworden sei, über Russland zu berichten. Zum einen seien durch den Kostendruck viel weniger Auslandskorrespondenten als früher in Russland, die noch dazu weniger Budget hätten, um das riesige Land zu bereisen. „Es gibt Erkenntnislücken, die sich in der Berichterstattung niederschlagen“, sagte sie. Themen wie der Ukraine-Konflikt würden nicht nachhaltig genug verfolgt. Zum anderen sei der Zugang zu Informationen für westliche Journalisten immer komplizierter geworden. Sie berichtete, wie sie von einer Sprecherin des Außenministeriums bei einem Kennenlerngespräch viereinhalb Stunden lang in einem fensterlosen Raum beredet worden sei. „Wir sind mehr und mehr zu Soldaten eines Informationskrieges geworden. Das zwingt uns in eine Frontstellung“, sagte sie.
Von: Friederike Lübke