Ab 2018 wird Bargeld in Deutschland grundsätzlich verboten – solche und andere Falschmeldungen kursierten vor der Bundestagswahl im vergangenen Jahr in sozialen Netzwerken. Einen Einfluss auf das Wahlergebnis hatten sie offenbar nicht, zumindest nicht so, dass sie sich auf die konkrete Wahlentscheidung ausgewirkt hätten. Das zeigt eine Studie der Kommunikationswissenschaftler Fabian Zimmermann und Matthias Kohring von der Universität Mannheim. Mit dem Begriff Fake News meinen sie in ihrer Studie gezielte Tatsachenbehauptungen über aktuelle Ereignisse, die einen Wahrheitsanspruch haben, die also vorgeben, eine echte Nachricht zu sein.
„Politische Desinformationskampagnen versuchen zu untergraben, dass Wähler auf der Basis von korrekten Informationen eine Entscheidung treffen können. Deshalb sind Fake News eine potenzielle Gefahr für demokratische Prozesse und die kollektive Selbstbestimmung“, erklärte Zimmermann, der die Studie bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft am Freitag in Mannheim vorstellte. Fake News transportierten vor der Bundestagswahl vor allem negativ gefärbte rechtspopulistische Botschaften. Dadurch lösten sie eher eine Verdrossenheit gegenüber der etablierten Politik aus.
Merkel für Probleme verantwortlich gemacht
Diese Entwicklung gehe damit einher, dass Bürger auch den etablierten Medien immer weniger Vertrauen schenken, führte Zimmermann aus. In einer Online-Befragung konnten die Forscher zeigen, dass Menschen, die Journalisten wenig vertrauten, Fake News für glaubwürdiger halten. Laut der Studie führte das – zumindest im untersuchten Zeitraum ab zwei Monaten vor der Wahl – aber nicht dazu, die Partei AfD zu wählen. „Die Wahl der AfD war vor allem durch etwa fremdenfeindliche Voreinstellungen oder eine längerfristige Entscheidung schon vorher festgelegt. Fake News hatten darauf keinen Einfluss.“
Allerdings gingen Fake News zulasten der Unionsparteien, die Kanzlerin Angela Merkel erneut als Kandidatin aufstellten. „Negative populistische Botschaften tragen zur Entfremdung der Wähler von der Regierungspartei bei“, erklärte Zimmermann. Das bezeichnete er als „Merkel-Effekt“: Die Bundeskanzlerin und Kanzlerkandidatin sei persönlich für die wahrgenommenen Probleme im Land verantwortlich gemacht worden.
Warum leidet Vertrauen in Journalisten?
Auf diese Weise beeinflussten Falschmeldungen den Prozess der politischen Willensbildung, sagte Zimmermann weiter. Die Verbreitung von Fake News verletze das demokratische Prinzip eines korrekt informierten Wählers. „Aber eine Gefahr für die Demokratie an sich ist vorerst zu relativieren“, resümierte er.
Zudem betonte der Forscher, dass das Phänomen der Fake News auch im Zusammenhang mit dem Vertrauensverlust in Journalisten gesehen werden müsse. „Man muss sich die Frage stellen: Warum leidet das Vertrauen in Journalismus und warum leidet es vor allem in bestimmten Kreisen?“ Die extra eingerichteten Redaktions-Abteilungen und Initiativen für „Faktenchecks“ seien eher ungeeignet, Fake News zu bekämpfen. Denn dort arbeiteten ja gerade diejenigen, die die Medienskeptiker kritisierten: Journalisten.
Bots beeinflussten politische Debatte nicht
Social Bots haben sich nicht auf die Bundestagswahl ausgewirkt. Gemeint sind damit Programme, die sich in sozialen Netzwerken als Menschen ausgeben, aber eigentlich automatisiert etwa Beiträge posten, teilen oder kommentieren. In ihrer Studie haben die Kommunikationswissenschaftler Tobias R. Keller von der Universität Zürich und Ulrike Klinger, Freie Universität Berlin, die Twitter-Profile untersucht, die den politischen Parteien folgten.
Mit dem Programm „Botometer“ ermittelten sie anhand verschiedener Kriterien, mit welcher Wahrscheinlichkeit hinter einem solchen Profil kein Mensch, sondern eine Maschine steckte. Bei einer Wahrscheinlichkeit von 75 Prozent oder mehr gingen die Forscher davon aus, dass der Nutzer ein Bot ist. Genau lässt sich das nicht feststellen, da sich diese Profile nicht von anderen unterscheiden; nur anhand bestimmter Auffälligkeiten lässt sich annehmen, dass sie von einer Software gesteuert werden.
Keller und Klinger stellten fest, dass alle Parteien auf Twitter Bots einsetzten, keine fiel dabei im Vergleich zu den anderen auf. Im Wahlkampf der Bundestagswahl waren etwa zehn Prozent der Follower Maschinen, in Phasen der politischen Routine circa sieben Prozent. Allerdings verbreiteten weniger als zwei Prozent der Bots Botschaften der Parteien auch aktiv weiter. Deshalb schlussfolgern sie: „Bots haben die politische Debatte nicht beeinflusst.“
Von: Jonathan Steinert