Das neueste Heft der Reihe Spiegel Geschichte befasst sich mit dem Christentum. Auf 138 Seiten beleuchtet es die verschiedensten Aspekte, theologischen Strömungen und die Frage, für welche Werte das christliche Abendland steht. Eingeteilt ist das Heft dabei in vier Kapitel.
Johannes Saltzwedel untersucht in einem ersten längeren Aufsatz, warum das Christentum bis heute die führende Weltreligion ist. Er macht dies daran fest, dass es dem Christentum immer wieder gelungen ist, sich unentwegt selbstkritisch neu zu erfinden.
Menschen fühlten sich wirklich verwandelt
Das erste Kapitel geht darauf ein, wie es das Christentum schaffte, sich von der Sekte zum Reichskult zu entwickeln. Der Oxforder Historiker Peter Frankopan sieht einen Erfolgsstrang darin, dass Jesus mit seiner Botschaft echten Widerhall auslöste: „Die Menschen, die ihm folgten, fühlten sich wirklich verwandelt, und das beeindruckte immer mehr Menschen.“ Ein weiterer Beitrag zeigt anschaulich, mit welchen anderen spirituellen Angeboten das Christentum in dieser Zeit konkurrieren musste.
Der Bonner Historiker Klaus Rosen stellt ausführlich den Kirchenvater Augustinus vor, der mit seinen Schriften das abendländische Denken prägte und aus Rosens Sicht sogar einen entscheidenden Anstoß für die Reformation gab. Ein weiterer Aufsatz ist dem frühen Mönchtum gewidmet. Für den Journalisten und Autor Cord Aschenbrenner wurde es zu einem der Grundmodelle christlichen Lebens im Abendland. Durch vorbildhaftes Leben, Mission und Bildung warben die Ordensleute für ihren Glauben.
Christen immer mehr unter Druck
Das zweite Kapitel befasst sich mit dem immer komplexer werdenden Verhältnis von geistlicher und weltlicher Macht. In diesem Kapitel wendet das Heft auch einen Blick in die byzantinische Ostkirche. Sie brach mit dem Papst und trug ihre Religion nach Russland, wo das orthodoxe Christentum zum prägenden Glauben des Imperiums wurde.
Wie es für die Christen heute in den Krisenregionen aussieht, erfährt der Leser in der Reportage von Susanne Koelbl. Sie hat Christen in Beirut besucht, die davon berichten, wie diese unter Druck stehen und aufgrund ihres Glaubens vor dem IS fliehen mussten. Ergänzend dazu kann der Leser mit Hilfe von QR-Codes auch Videos über das Christentum im Libanon ansehen.
Eher auf theologischen Grundfragen basiert der Beitrag von Jan Pohl, der danach fragt, ob Religion und Vernunft zusammenpassen und ob man Gott logisch erklären kann. Nils Klawitter hat sich dagegen mit den Glaubensabweichlern der damaligen Zeit befasst. Dieser Verfolgungswahn, findet der Autor, habe bis heute gesellschaftliche Nachwirkungen.
Wo kann das Christentum noch erfolgreich sein?
Im dritten Kapitel geht es darum, wie sich das Christentum in der Frühen Neuzeit behauptet. Der Historiker Volker Reinhardt macht deutlich, wie nach der Reformation für das Christentum eine Epoche der Widersprüche begann, deren zentrale Frage war, ob man die wahre Religion mit Gewalt durchsetzen konnte. Thematisiert werden unter anderem die Missionsbestrebungen in Fernost sowie die pietistischen Entwicklungen in Deutschland. Dass später immer mehr Gebildete an die Vernunft als an Gott glaubten, versuchte der Theologe Friedrich Schleiermacher zu versöhnen.
Wie der Glaube in der Moderne bestehen kann, ist Thema des vierten Kapitels. Dieses befasst sich mit den Gedankengängen des Philosophen Friedrich Nietzsche, der radikal mit der christlichen Tradition brach. Sehr spannend ist Michael Sontheimers Beitrag über Dietrich Bonhoeffer. Der Theologe konnte seinen Glauben nicht mit der Nazi-Ideologie vereinen und schloss sich dem Widerstand gegen Hitler an. Der Beitrag „Klub für Aussteiger“ bezieht sich auf die Gegenwart. Darin beantwortet der Soziologe Detlef Pollack, warum sich immer mehr Menschen vom Glauben abkehren und wo das Christentum nach wie vor erfolgreich ist und sein kann.
Das Heft kostet 7,90 Euro und ist am Kiosk oder im Buchladen erhältlich.
Von Johannes Weil