Models in Katalogen oder die Stars auf den Titelseiten der Illustrierten sehen nicht wirklich so makellos aus, wie einen die Fotos glauben machen. Es ist kein Geheimnis, dass da digital nachgeholfen wird. Wie auf Videos nachzuvollziehen ist, ist es nicht einmal ein Problem, mit Photoshop aus einem Stück Pizza ein Bikini-Model oder aus diesem einen Weihnachtsmann zu zaubern. Was ist da noch echt? Die digitale Bildmanipulation kann einen entscheidenden Einfluss darauf haben, wie wir die Welt wahrnehmen. So wird immer wieder kritisiert, dass derartig künstlich optimierte Models ein irreales Schönheitsideal vermittelten.
Die Frage nach der Echtheit und Vertrauenswürdigkeit von Bildern stellt sich auch im Journalismus. Manipulierte Fotos könnten die Erinnerung an die Vergangenheit verändern, gibt die britische Psychologin Sophie Nightingale von der Uni Warwick zu bedenken, und im Zweifel vor Gericht keine Beweiskraft haben – vor allem, wenn Menschen den Unterschied zwischen gefälschten Details und der Realität nicht erkennen. Und damit tun sich durchschnittliche Bildbetrachter durchaus schwer, stellte die Wissenschaftlerin mit ihrem Team in einer Studie fest.
Treffsicherheit ist begrenzt
In zwei Experimenten bekamen die Probanden Bilder vorgelegt, die unterschiedlich manipuliert wurden: manche nur mit kleinen Korrekturen wie etwa aufgehellten Zähnen, andere mit gröberen Verzerrungen, zusätzlichen oder entfernten Details. Die Teilnehmer der Online-Studie sollten herausfinden, welche fünf der zehn gezeigten Fotos verändert wurden und an welcher Stelle im Bild dies geschah. Zwei Drittel der Fotos haben die gut 700 Probanden korrekt als echte oder manipulierte Abbildungen eingestuft. Tendenziell neigten sie eher dazu, die Bilder als echt anzusehen. Um zu dieser Entscheidung zu kommen, schauten sie sich die Fotos im Schnitt 43 Sekunden lang an. 45 Prozent der Manipulationen wurden auf den Bildern an der richtigen Stelle lokalisiert.
In einem zweiten Durchgang des Experiments, der bis auf wenige methodische Veränderungen so ablief wie der erste, schauten sich die Probanden die Bilder fast eine ganze Minute an, um zu entscheiden, ob diese manipuliert wurden oder ein Original waren. 62 Prozent der Bilder konnten in diesem Durchlauf korrekt erkannt werden, etwas mehr als die Hälfte der Manipulationen wurden auch an der richtigen Stelle verortet. Je mehr ein Bild manipuliert war, desto eher lagen die Probanden richtig
Dennoch kommen die Studienautoren zu dem Schluss: „Die Fähigkeit von Menschen, manipulierte Fotos von realen Situationen zu erkennen, ist extrem begrenzt.“ Denn in der Studie konnten die Forscher nicht messen, ob die Probanden die Veränderungen tatsächlich erkannten oder nur richtig geraten hatten. Zudem haben sich die Teilnehmer womöglich mehr Zeit gelassen, die Bilder zu untersuchen, als sie es tun würden, wenn sie ein Foto auf einer Nachrichtenseite sehen.
Wichtig, bewusste Täuschungen zu erkennen
Nightingale und ihre Kollegen weisen auf ein Dilemma hin: Eine generell sekptische Haltung zu Fotos könnte zu Lasten des Vertrauens in authentische Bilder gehen. Andererseits: „Solange wir nicht mehr darüber wissen, wie wir die Fähigkeit von Menschen verbessern können, zwischen realen und gefälschten Fotos zu unterscheiden, könnte ein skeptischer Ansatz weise sein – besonders im Zusammenhang mit Rechtsfragen, wissenschaftlichen Publikationen und Fotojournalismus, wo selbst kleine Veränderungen bedeutsame ethische Konsequenzen haben können.“
Auch wenn jede Veränderung eines Fotos in gewissem Ausmaß irreführend sei, sei es nicht in jedem Fall auch beabsichtigt, jemanden mit dem Bild zu täuschen. Deshalb komme es letztlich weniger darauf an, jede Manipulation auszumachen, sondern vor allem die Fälschungen zu erkennen, die den Betrachter bewusst irreführen sollen, schreiben die Forscher. Sie schlagen vor, Richtlinien zur Verwendung von Fotos im digitalen Zeitalter auf einen angemessenen und aktuellen Standard zu bringen. (pro)
Von: jst