Die Mehrheit der Journalisten in Deutschland ist im Berufsalltag mit immer mehr Hass konfrontiert. Verbale und körperliche Angriffe gegen Medienschaffende seien zur Normalität geworden, erklärte ein Forscherteam am Mittwoch in Berlin.
Für die Onlineerhebung „Hass im Arbeitsalltag Medienschaffender“ hat das Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld im November und Dezember 780 Journalisten zu ihren Erfahrungen mit hasserfüllten Übergriffen wie sogenannter Hate Speech und körperlichen Attacken befragt.
Übergriffe bei Demonstrationen
Demnach gaben zwei Drittel der Befragten an, hasserfüllte Reaktionen auf journalistische Beiträge hätten in den vergangenen zwölf Monaten zugenommen. Ein Viertel erklärte, dies auch im Bezug auf eigene Beiträge erlebt zu haben. Fast die Hälfte der Journalisten sind nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr verbal oder körperlich angegriffen worden, ein Fünftel mehrfach. Rund zwei Drittel nahmen an, dass die Übergriffe aufgrund von Unzufriedenheit mit ihren Beiträgen geschahen.
Die Angriffe erreichten die Journalisten in den häufigsten Fällen über Soziale Netzwerke, gefolgt von E-Mails. Am häufigsten betroffen sind Zeitungs- und TV-Journalisten, darauf folgen Mitarbeiter von Onlinemedien.
Jeder zweite Medienschaffende fühlt sich durch solche Angriffe belastet. „Eine ganze Reihe von Journalisten nehmen das mit nach Hause“, sagte Konfliktforscher Andreas Zick bei der Vorstellung der Umfrage. Auch die Teamfähigkeit in den Redaktionen sei dadurch belastet. Ein Viertel der Betroffenen erklärte, das Erlebte beeinträchtige ihre Arbeit. Außenreporter berichteten von Übergriffen bei Demonstrationen und Rechercheausstiegen aus Angst um Angehörige. „Wir sehen, dass Journalisten in der Öffentlichkeit zu Feinden erklärt werden. Sie müssen also Mut haben, um diesen Beruf auszuüben“, sagte Zick. Themen, die zu hasserfüllten Reaktionen führten, seien vor allem Flüchtlinge, Migration oder Islam.
Strategien gegen den Hass
In den Redaktionen selbst wird die sogenannte Hate Speech der Studie nach kaum thematisiert. Lediglich in einem Viertel der Häuser komme das Thema zur Sprache. Zwei Drittel gaben hingegen an, Rückhalt bei Kollegen zu finden. Journalisten, die mehrfach angegriffen wurden, haben in 80 Prozent der Fälle die Hilfe einer Beratungsstelle in Anspruch genommen. Knapp 70 Prozent suchten den direkten Dialog mit den Angreifern. Am häufigsten wurden hasserfüllte Beiträge aber gelöscht.
Die Befragten wünschen sich eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen. Mehr Personal soll helfen, die eigene Arbeit Außenstehenden besser zu erklären und genauer recherchieren zu können. Besonders Außenreporter wünschten sich bei Einsätzen eine bessere Abwägung der Sicherheit vor Ort. Auch fordern sie einen besseren Austausch mit der Polizei und eine schärfere Strafverfolgung.
Was die Onlineangriffe angeht, erhoffen sich viele eine Verbesserung durch die Aufhebung anonymer Nutzerprofile. Die Befragten wünschten sich außerdem eine stärkere Betonung des Werts der Pressefreiheit in der Öffentlichkeit und eine allgemeine bessere Aufklärung über die Arbeit und den Nutzen der Medien. (pro)
Von: al