Baron: Brauchen mehr journalistische Demut

Der Chefredakteur der Washington Post, Martin Baron, hat Journalisten ermahnt, besser zuzuhören. Außerdem rät er seiner Zunft zu mehr Demut in der Berichterstattung. Im Welt-Interview äußert er sich offen über den Begriff Lügenpresse und eigene Fehler beim Berichten über den US-Wahlkampf.
Von PRO
In der Berichterstattung zum US-Wahlkampf haben die amerikanischen Medien bestimmte soziale Schichten nicht abgeholt, findet der Chefredakteur der Washington Post, Martin Baron
Martin Baron musste sich viele Anfeindungen des US-amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump gefallen lassen. Im Bezug auf die Wahlberichterstattung bekennt der Chefredakteur der Washington Post im Interview mit der Zeitung Die Welt, dass es nicht gelungen sei, das „Gefühl der Unzufriedenheit in einem großen Teil des Landes ausreichend zu entdecken und zu beschreiben“. Anschuldigungen zu einer Parteinahme für einen der Bewerber weist er strikt zurück. Die Medien haben laut Baron den Blick für bestimmte soziale Schichten vernachlässigt: „Wir haben nicht gut zugehört. Wir sollten an unsere Arbeit wahrscheinlich mit weit mehr Demut herangehen, und wir sollten mehr beeindruckt sein von dem, was wir nicht wissen, als von dem, was wir wissen.“ Weiter sagt der Journalist: „Wir müssen herausfinden, wie wir denen besser zuhören, deren Stimmen ganz klar durchs Rost gefallen sind.“

Teile der Gesellschaft leben in einer faktenfreien Welt

Die Presse müsse ihre grundlegenden Aufgaben in einer Demokratie erfüllen. Wenn der Republikaner Donald Trump vor der Wahl vorschlage, die Presse zu bestrafen und zu sanktionieren, sei dies deplatziert: „Das geht so sehr gegen die Geschichte, die Tradition und die Verfassung der USA, dass es schockierend ist, wenn ein Kandidat so etwas sagt.“ Barons Medium werde beide Präsidentschaftskandidaten intensiv unter die Lupe nehmen. Problematisch findet der 61-Jährige, dass Teile der Gesellschaft in einer faktenfreien Welt lebten: „Oder sie glauben nicht, was die Mainstreammedien sagen, was die Fakten sind.“ Sie versorgten sich selbst mit Informationen aus Quellen, die ihr schon existierendes Weltbild bestätigten, aber nicht auf Tatsachen beruhten. Darin sieht Baron eine der größten Herausforderungen der Medien, „weit größer als die finanziellen Probleme. Es gibt einfach weite Teile der Bevölkerung, die sich weigern zu glauben, was wir drucken oder senden“.

Glauben, weil es ihrem Weltbild entspricht

Früher hätten die Menschen immer noch an einen Grundbestand von Fakten geglaubt. Heute sei dies nicht mehr der Fall. Die Presse müsse sich fragen, wie sie vor diesem Hintergrund ihre Arbeit gestalte. Der Vorwurf der Lügenpresse hängt für ihn eng mit dem gewachsenen Internet und vielen neuen Informationsquellen zusammen. Die Menschen hätten sich früher auf eine kleine Zahl an Medien verlassen müssen. Heute könne fast jeder eine Webseite betreiben und Information verbreiten, „die einfach nicht wahr ist, es handelt sich um Lügen, aber die Leute wollen sie glauben. Weil es ihrem Weltbild entspricht“. Häufig sei es deren Ziel, Mainstreammedien zu diskreditieren und zu attackieren: „Und viele dieser Seiten sagen, dass wir in der Mainstreampresse absichtlich Informationen zurückhalten oder gezielt Information erfinden, um unsere ideologische Agenda voranzubringen. Und wir sagen, das ist, was sie tun. Wenn die Leute also eine Wahl haben, dann entscheiden sie sich für das, mit dessen Meinung sie übereinstimmen“, bilanziert Baron. (pro)
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