Ein Mann vergewaltigt eine Frau. Journalisten berichten über das Verbrechen. Müssen oder sollen sie erwähnen, ob der Täter Christ oder Muslim, Deutscher, Afghane oder Chinese ist? Journalisten haben sich für ihre Zunft mit dem Pressekodex ethische Leitlinien gegeben. Der Kodex sieht vor, bei der Berichterstattung über Straftaten die „Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten“ nur dann zu erwähnen, wenn es sachlich damit zu tun hat und diese Information demzufolge für das Verständnis des Sachverhalts notwendig ist. Der Hintergrund dieser Richtlinie ist, dass durch die Berichterstattung keine Vorurteile gegen Minderheiten geschürt werden sollen.
Diese Richtlinie steht immer wieder in der Kritik, wenn es um die Berichterstattung über Gewalttaten von Migranten geht, zuletzt im Zusammenhang mit den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln und anderen Städten. Der Vorwurf an Medien lautet dann oft, sie würden Informationen vertuschen, um ein bestimmtes, verzerrtes Bild über eine Bevölkerungsgruppe zu zeichnen.
Der Presserat, dem 28 Vertreter verschiedener Journalisten- und Verlegerverbände angehören, diskutierte am Mittwoch mit Experten darüber, ob diese Richtlinie beibehalten und wie sie angewandt werden sollte. Das Ergebnis: Der Diskriminierungsschutz bleibt bestehen. Journalisten müssten professionell aus einer Flut von Informationen „stets eine Auswahl nach Bedeutung“ treffen und im Einzelfall entscheiden, ob Informationen über Religion und Herkunft notwendig seien, teilte Presseratssprecher Manfred Protze mit. „Wenn Redaktionen Informationen nicht veröffentlichen, weil ihre Bedeutung für das Verständnis gering, die Diskriminierungsgefahr aber hoch ist, handeln sie nicht unlauter, sondern verantwortungsbewusst“, sagte er und verwahrte sich gegen den Vorwurf der Zensur. Er betonte, dass der Pressekodex eine Handlungsrichtlinie sei, die Journalisten nicht dabei einschränke, eigenständig darüber zu entscheiden, was sie veröffentlichen und was nicht.