Ein Jahr nach dem tödlichen Terroranschlag auf die Redaktion der Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo in Paris erinnert die Zeitung mit einem besonderen Cover an den religiösen Hintergrund der fanatischen Täter. Auf dem Titelbild der neuen Ausgabe ist ein alter Mann abgebildet, den man als Gott oder auch als Allah sehen kann.
Von PRO
Foto: Meedia.de
So erscheint die neue Ausgabe des französischen Satiremagazins Charlie Hebdo
Das Titelbild der Sonderausgabe von Charlie Hebdo anlässlich des Jahrestages des Terroranschlages zeigt einen bärtigen Mann in wallendem Gewand; auf seinem Haupt prangt ein Dreieck mit einem Auge in der Mitte. Offenbar ist Gott oder Allah gemeint. Darüber stehen die Worte „Ein Jahr danach – der Mörder ist immer noch auf freiem Fuß“. Auf dem Rücken trägt der Bärtige eine Maschinenpistole, sein Gewand ist mit Blut befleckt. Die Ausgabe erscheint am Mittwoch.
Im Editorial kritisiert der Redakteur Laurent Sourisseau „vom Koran verblödete Fanatiker“, die wie „geweihte Ärsche anderer Religionen“ ein Ende des Magazins gewünscht hätten, weil es über Religiöses zu lachen wage. Abdallah Zekri von der französischen Beobachtungsstelle für Islamophobie sprach laut der Deutschen Presseagentur (dpa) von einem „für alle Religionen sehr beleidigenden Text“. Der Bischof von Gap, Jean-Michel di Falco Leandri, verwies auf Gläubige unter den Opfern. Es sei falsch zu behaupten, eine Religion wolle den Tod eines Magazins.
Insgesamt eine Million Stück des Pariser Magazins sollen gedruckt werden. In Deutschland sind vom 6. Januar an 50.000 Hefte für je vier Euro erhältlich, wie der Pressevertrieb IPS in Meckenheim mitteilte.
Am 7. Januar 2015 hatten zwei maskierte Männer während der wöchentlichen Redaktionskonferenz einen Anschlag auf die Redaktionsmitglieder von Charlie Hebdo verübt. Sie erschossen mit Sturmgewehren zwölf Menschen, darunter den Herausgeber und Zeichner Stéphane Charbonnier („Charb“). Die beiden Täter wurden als die Brüder Chérif und Saïd Kouachi identifiziert und von der Polizei in ihrem späteren Versteck erschossen.
In Verbindung mit dem Anschlag erschoss der Dschihadist Amedy Coulibaly einen Tag später eine Polizistin und verletzte einen Straßenreiniger. Am Tag darauf überfiel er gezielt einen jüdischen Supermarkt im Osten von Paris und nahm dort mehrere Geiseln, von denen er vier während der Geiselnahme erschoss. Schließlich erschoss die Polizei auch ihn.
Die Welt kritisiert Generalverdacht der Religionen
Charlie Hebdo gehörte 2006 zu den wenigen Zeitschriften, welche die Mohammed-Karikaturen aus der dänischen Jyllands-Posten nachdruckten. Die Zeitung veröffentlichte ein Manifest, in dem sich zwölf überwiegend aus dem islamischen Kulturkreis stammende Intellektuelle gegen den Islamismus als neue, weltweite, totalitäre Bedrohung aussprachen. Im November 2011 wurde auf die neu bezogenen Redaktionsräume des Magazins am Boulevard Davout in Paris ein Brandanschlag verübt. Am 19. September 2012 veröffentlichte Charlie Hebdo neue Mohammed-Karikaturen.
Die deutsche Tageszeitung Die Welt kommentierte das aktuelle Charlie Hebdo-Cover am Dienstag mit den Worten: „Natürlich machen die großen Religionen die Welt nicht schlimmer, sondern besser.“ Welt-Autor Lucas Wiegelmann stellt angesichts des Charlie Hebdo-Covers fest, dass viele Menschen Gott für das Leid in der Welt verantwortlich machten. „Es handelt sich um eine Weiterentwicklung des uralten Ringens um die Theodizee, also um die Frage, warum Gott das Leid auf der Welt zulässt. Die Theodizee-Frage kann niemals beantwortet werden und ist deshalb ein stetiges Ärgernis“, schreibt Wiegelmann.
Das Leid, besonders das von Menschen verursachte, einfach Gott in die Schuhe zu schieben, sei „ein so eleganter wie bequemer Ausweg aus dem Dilemma“. Die blutigsten Totalitarismen seien von antireligiösen, atheistischen Bewegungen ausgegangen. Doch die Welt sei ohne Religion ein schlechterer Ort, findet der stellvertretende Leiter des Ressorts Feuilleton. „Religionen geben Unsummen für wohltätige Zwecke aus. Sie sind Sinnstifter für Millionen. Sie versuchen, das Zusammenleben der Menschen auf eine ethische Grundlage zu heben, inklusive Aufrufen zu Gewaltlosigkeit und Nächstenliebe, die sie alle im Programm haben. Der Generalverdacht auf Unversöhnlichkeit und Intoleranz, der auf ihr ruht, ist ungerecht.“ (pro)
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