Noch ein neues soziales Netzwerk, wirklich? Das mag sich mancher gedacht haben, als er das erste Mal von „Clubhouse“ gehört hat – und das sind noch gar nicht so viele. Denn im Moment gibt sich die neue Plattform, die nur für Apple iOS auf dem iPhone verfügbar ist, noch arg exklusiv. Einen Account erhält man nur auf Einladung. Wer einmal im Club ist, kann noch zwei weitere Nutzer einladen. Dann ist Schluss.
Beim Datenschutz muss man nicht nur ein, sondern beide Augen zudrücken. In der Standardeinstellung durchforstet die kostenfreie App das gesamte Telefonbuch, um nach Kontakten zu suchen, die schon bei Clubhouse sind, oder die es – mutmaßlich – werden wollen.
Das besondere an Clubhouse ist nicht unbedingt neue Technik, sondern die Beschränkung auf reines Audio. Es gibt virtuelle Räume, in denen man sich zum Audio-Chat treffen kann. Wer sich einklinkt, gehört zum „Audience“ und hört den „Speakers“ beim Diskutieren zu. Dabei sind nur die Profilbildchen sichtbar, kein Video. Wer virtuell die Hand hebt, kann vom Moderator ebenfalls zum Speaker befördert werden und eine Frage stellen oder sich an der Diskussion beteiligen. Jeder kann neue Räume aufmachen, basierend auf Interessen oder auf Personen. Die Bandbreite reicht von „Mittagspause zusammen“ über politische Themen wie das Ende der Trumpschen Präsidentschaft bis hin zu Talks über die neuesten Werbe-Ansätze von Influencern.
Digitale Kirche ist schon da
In englischen Gruppen finden sich häufig mehrere hundert Personen, in Deutschland sind die Talks eher überschaubar. Doch wenn Promis wie Thomas Gottschalk oder der SPD-Politiker Kevin Kühnert in einem Raum diskutieren, ist ihnen natürlich auch ein breites Publikum sicher.
Auch die „digitale Kirche“ ist schon auf Clubhouse vertreten. Mehrere digital affine Kirchenleute haben die Plattform direkt für sich entdeckt. Oder besser: Sie versuchen noch, sie für sich zu entdecken. Motto: Wie können wir Clubhouse nutzen, um die Kirche ins Digitale zu bringen? Da unterscheiden sich die Christen gar nicht so stark von säkularen Gruppen. Im Moment, so wirkt es, herrscht eine große Begeisterung über die so direkte Kommunikation, und andererseits sind alle irgendwie dabei, das Format noch auszuprobieren. Solch eine Pionier- und Experimentierphase hat es in den sozialen Medien lange nicht gegeben. Die Chancen liegen auf der Hand: Die Unterhaltungen auf Clubhouse wirken nicht wie Livestreams, in die man sich einklinkt, sondern eher wie Telefonate, bei denen die Nutzer Mäuschen spielen und sich sogar selbst einbringen können.
Offenbar war das Netzwerk nicht auf den großen Ansturm vorbereitet, mehrfach berichtete die App von Serverproblemen. Auch der Funktionsumfang ist noch beschränkt. Wer etwas gut findet, kann nicht einmal ein Like abgeben. Stattdessen schaltet man das Mikrofon schnell hintereinander an und aus, um ein Klatschen zu simulieren. Wer als Speaker einen Wortbeitrag hat, schaltet kurz das Mikro an und wieder aus. Eine Chatfunktion existiert nicht. Das ist noch ausbaufähig.
Die Zeit wird zeigen, wie Clubhouse damit zurecht kommt, wenn es ein Massenprodukt wird und nicht eine Handvoll, sondern Tausende Menschen in einem Raum sammeln. Potenzial, auch für Kirchen, hat es definitiv. Eine schnelle Gebetsgemeinschaft bis hin zum kompletten Gottesdienst ist kein Problem.