Christen bieten auf Instagram Seelsorge an

Der Kölner Pfarrer Nico Ballmann hat auf Instagram einen eigenen Hashtag ins Leben gerufen. Unter „#ansprechbar“ können Christen aller Couleur ihren Mitmenschen ein offenes Ohr oder Gebet anbieten. pro hat mit Nico Ballmann, der auf Instagram @einschpunk heißt, gesprochen.
Von PRO
Pfarrer Nico Ballmann bietet auf seinem Instagram-Kanal unter anderem Andachten und einen Podcast an

pro: Herr Ballmann, welche Bedeutung versteckt sich hinter „#ansprechbar“?

Nico Ballmann: Gerade in Zeiten, in denen viele Menschen wegen des Coronavirus Angst haben und isoliert sind, ist es gut, dass wir als Christen ansprechbar sind. Ansprechbar für die Menschen, die Rat suchen und unter der jetzigen Situation leiden. Wir wollen gemeinsam aushalten, zuhören, beten und mit unserem Glauben den Menschen Mut machen. Jeder, der diesen Hashtag auf seinem Profil teilt, zeigt seine Bereitschaft, mitzumachen und wird so für andere sichtbar.

Sie haben den Hashtag „#ansprechbar“ am vergangenem Wochenende erfunden. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Ich glaube das war in dem Moment, als ich festgestellt habe, dass immer mehr Kirchgemeinden ihre Gottesdienste nicht mehr feiern. Ich habe versucht, mich in Menschen hineinzufühlen, denen es sehr wichtig ist, Gottesdienste oder andere Kirchenveranstaltungen zu besuchen. Oder Menschen, die Kontakt zu Pfarrern oder Pfarrerinnen brauchen, weil sie bestimmte Probleme, Nöte oder Sorgen haben. Diesen Menschen wollte ich ganz deutlich machen: Ich bin und bleibe ansprechbar – nur eben auf eine andere Art und Weise.

Weit über 50 Personen haben den Hashtag aufgegriffen. Sind Sie von der Reichweite überrascht?

Ja, absolut. Ich hatte gehofft, dass vielleicht der eine oder andere Kollege die Idee aufgreifen und meine Idee teilen würde. Dass es jetzt solche Kreise zieht, hätte ich nicht für möglich gehalten. Mittlerweile nutzen ja auch Menschen den Hashtag in ihren Instagram-Storys, ohne Bezug auf mich zu nehmen. All das trifft auch unseren Zeitgeist. Kirchen überlegen ja schon länger, digital sichtbarer zu sein. Jetzt wird deutlich, dass hier die Möglichkeit existiert, Christentum digital zu leben. Diese Chance lag vorher nicht unbedingt im Fokus der Kirchen – ist aber jetzt umso notwendiger.

Wer macht alles mit und ist ebenfalls ansprechbar?

Es beteiligen sich Menschen aus ganz verschiedenen Hintergründen. Zum einen sind da Pfarrer und Pfarrerinnen, die schon lange in der digitalen Kirche arbeiten. Zum anderen machen aber auch Gemeindepädagogen, Lehrer oder Gemeindereferenten mit. Es spielt dabei keine Rolle, ob man evangelisch oder katholisch ist. Und es machen auch ganz normale Christen mit, die kein bestimmtes Amt ausfüllen und einfach online aktiv sind. Ganz im Sinne von Luthers Priestertums aller Gläubigen.

Sind Sie ein Ansprechpartner für die Menschen, die sich beteiligen? Geben Sie Leitlinien für den Umgang mit Anfragen aus?

Nein. Ich finde es sehr spannend, dass jeder dieses „#ansprechbar“ für sich selbst interpretiert. Ich habe bis jetzt noch keine einzige Nachfrage bekommen. Irgendwie ist „#ansprechbar“ so klar, dass jeder wusste, was damit gemeint ist.

Herkömmliche Gottesdienste können ja nicht mehr wie gewohnt stattfinden. Welche Rolle kann digitale Kirche spielen, wenn das Coronavirus überstanden ist?

Aktuell finden ja überall Online-Gottesdienste statt. Ich erhoffe mir, dass diese Formate und die so geschaffene Infrastruktur dauerhaft genutzt werden. Der normale Sonntagsgottesdienst sollte auch immer im Livestream abrufbar sein. Gerade für Menschen, die im Krankenhaus sind oder mal nicht in die Kirche gehen können, bleibt der Gottesdienst so erlebbar. Das wünsche ich mir.

Wie schätzen Sie das Potential der digitalen Kirche in den nächsten Jahren ein?

Es ist natürlich traurig, dass durch die Corona-Krise die digitale Kirche so wichtig wird. Aber darin liegt natürlich auch eine Chance. Es zeigt sich ja jetzt schon, dass viele Kollegen online ansprechbar sind. Dadurch werden ganz andere Menschen als in unseren normalen Kirchenkreisen erreicht. Die Zielgruppen, denen wir online begegnen, würden wir mit der normalen Kirche nicht erreichen.

Wer reagiert auf „#ansprechbar“? Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen?

Das ist ganz unterschiedlich. Mit mir haben auch schon Menschen Kontakt aufgenommen, die mit Kirche nichts am Hut haben, aber jemanden suchen, der sich ihrer Sorgen, Nöte und Probleme annimmt.

Wie sehen diese Gespräche dann praktisch aus? Bleibt es nur beim Schreiben?

Das ist unterschiedlich und von den Personen abhängig. Auf meiner Instagram-Seite gibt es zum Beispiel auch die Möglichkeit, mir anonym zu schreiben. Das wird sehr rege genutzt. Ich will mich den Leuten auch nicht aufdrängen. Wenn ich aber merke, dass wirklich große Not da ist, biete ich auch an, mit mir zu telefonieren.

Liegen hier auch Herausforderungen und Grenzen der digitalen Kirche?

Ja, diese Herausforderungen kennen auch die Kollegen der Telefon- oder Chatseelsorge. Von den Sinnesorganen fehlt so natürlich ein wichtiger Kanal. Das Gesicht und die Mimik machen viel aus. Man muss lernen, ohne diese umzugehen. Ich versuche beispielsweise Gespräche auch mit Hilfe von Smileys zu gestalten. Dennoch besteht die Gefahr, dass man sein Gegenüber missversteht. Ich sehe darin aber auch eine Chance. Im Chat lesen Menschen meine Nachrichten so, wie sie ihnen guttun. Das kann schief gehen. Es kann aber auch einen Deutungshorizont zulassen, der den Menschen guttut.

Auf welche anderen Formate kann digitale Kirche setzen?

Da ist der Kreativität eigentlich keine Grenzen gesetzt. Ich mache beispielsweise eine Mitmach-Andacht. Wichtig ist, dass man einfach verschiedene Sachen ausprobiert. Egal ob Videoformate, Live-Gottesdienste, Quizze oder Podcasts – ganz nach dem Motto: Das Gute behaltet.

Vielen Dank für das Gespräch!

Nico Ballmann, Jahrgang 1987, ist Pfarrer in Köln-Bickendorf. Er studierte Theologie und Philosophie.

Die Fragen stellte Martin Schlorke

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