Wenn Christen sich gegen Pornokonsum starkmachen, lässt der Witz darüber nicht lange auf sich warten – erst recht, wenn sie es auf YouTube tun und mit einer gehörigen Portion jugendlicher Unbedarftheit. Die YouTuberin Li Marie hat über 11.000 Abonnenten und spricht über Themen wie „Wie kann man im Glauben wachsen“ oder „Kein Sex vor der Ehe“. In einem ihrer Clips aus dem Jahr 2017 geht es um Pornokonsum. Gemeinsam mit einem Freund will die Anfang-Zwanzigjährige über Gefahren und Probleme aufklären. So vertritt Kumpel Michi etwa die These, wer viele Pornos schaue, setze sich der Gefahr aus, pädophil zu werden. Beide sind offenbar Mitglieder der Global Video Church, einer Organisation, die Menschen online mit christlichen Themen erreichen will. Besagtes Video ist mittlerweile offline.
Comedian Jan Böhmermann aber entdeckte es bereits Anfang Mai und machte sich einen Spaß daraus, Michi und Li Marie als „fundamentalistische Hardcore-Christen“ vorzuführen, „die einem den Teufel austreiben“. In seinem „Neo Magazin Royal“ griff er Stücke des Videos auf und nutzte die zugegebenermaßen schwer belegbaren Thesen der beiden christlichen Influencer für ein eigenes Gag-Video. Fans von Li Marie mögen das unpassend finden, Fakt aber ist: Böhmermann bescherte der YouTuberin und auch dem Phänomen der Christfluencer – christlicher Influencer – ein ordentliches Medienecho.
Junge Menschen suchen Lebenshilfe im Netz
So griff nicht nur die Medienfaktultät der Hochschule Mittweida das Thema anlässlich des über eine Million Mal geklickten Videos von Böhmermann auf. Auch der Deutschlandfunk beschäftigte sich in der vergangenen Woche mit Christfluencern. Dort erklärt der Medienmanagement-Experte Bjoern Krass, es sei nicht verwunderlich, dass Christen im Internet versuchten, Menschen zu erreichen: „Junge Menschen sind eine unglaublich wichtige und begehrte Zielgruppe – und diese Zielgruppe erreichst du heute am effektivsten über die sozialen Medien. Da treiben sie sich rum, da suchen sie sich ihre Unterhaltung und, ja, auch Lebenshilfe.“
Eine Gefahr sieht er im Engagement der Christfluencer nicht: „Was die da betreiben, ist in Teilen ganz sicher fragwürdig. Vor allem ist es aber absolutes Nischenprogramm. Das sehen wir auch an den Abonnentenzahlen ganz deutlich. 3.000 Leute auf einem Kanal, 2.000 auf dem anderen – da guckt keiner zu, der nicht ohnehin schon in die Richtung tendiert. Für alle anderen ist das, was da stattfindet, entweder komplett uninteressant oder sogar abschreckend.“ Auch die Gründerin der Global Video Church, Inga Haase, kommt zu Wort: „Unsere Theologie hält sich an das ganz normale, klassische Glaubensbekenntnis auf Grundlage der Bibel. Also, nichts Extremes wollen wir, sondern ganz schlicht an der Bibel dran bleiben und lebenspraktisch“, erklärt sie. Alle Videos würden vor Veröffentlichung geprüft, damit nichts „irgendwie schief und schräg“ ist.
Bereits Anfang des Jahres berichtete auch der Bayerische Rundfunk über Christfluencer. Sie machten Werbung für Gott, seien dabei aber oft sehr konservativ, heißt es in dem Beitrag. Darin zitieren die Autoren Li Marie mit ablehnenden Aussagen zu Homosexualität und Sex vor der Ehe. Axel Seegers, Weltanschauungsbeauftragter des katholischen Erzbistums München-Freising, wirft ihr deshalb „christlichen Populismus“ vor.
Von: Anna Lutz