„Ex-Evangelikaler“ will über Missstände an christlichen Schulen aufklären

Auf Twitter hat ein Aktivist Absolventen christlicher Schulen aufgefordert, traumatische Erlebnisse aus ihrer Zeit an den Instituten zu teilen. Tausende Betroffene erzählen ihre Geschichten – die einen verurteilen die Schulen, andere verteidigen sie.
Von PRO
In der Diskussion berichten Twitternutzer, dass ihnen unterstellt wurde, nicht genug für ein Problem zu beten

Eine Diskussion über christliche Schulen in den USA beschäftigt derzeit Nutzer des Kurznachrichtendienstes Twitter. Unter dem Hashtag #ExposeChristianSchools (sinngemäß: Christliche Schulen entlarven) schreiben Tausende Twitternutzer über ihre Erfahrungen mit und Kritik an christlichen Bildungseinrichtungen.

Ausgangspunkt für die Hashtag-Debatte war, dass die Frau des amerikanischen Vizepräsidenten Mike Pence, Karen Pence, zukünftig an einer christlichen Schule in Nordvirginia Kunst unterrichten wird. Die „Immanuel Christian School“ listet „homosexuelle und lesbische sexuelle Handlungen“ als Ausschlusskriterium für eine Anstellung auf, berichtet ABC News.

„Bastionen der Bigotterie“

Den Hashtag zur Twitter-Debatte initiierte Chris Stroop, Autor und Aktivist aus Indianapolis. Er bezeichnet sich auf seinem Blog als „Ex-Evangelikaler“. Er habe selbst viele Jahre christliche Schulen besucht. Stroop forderte vor drei Wochen christliche Schulabgänger auf, öffentlich zu machen, „wie traumatisch diese Bastionen der Bigotterie sind“. Er strebe danach, eine Gemeinschaft derjenigen zu fördern, denen „von konservativen Religionsgemeinschaften Schaden zugefügt […] wurde“. Er wolle für ehemalige Evangelikale „Raum schaffen“. Das Teilen dieser Geschichten solle heilen und sensibilisieren „für die Bedrohung der Demokratie und Menschenrechte durch theokratische Ansichten“, schreibt Stroop auf seinem Blog.

So teilten auf Twitter tausende Betroffene ihre Geschichten. Der Wahrheitsgehalt der Tweets ist schwer nachprüfbar. Viele Menschen berichten auf der Plattform von geistlichem Missbrauch oder anderen Traumata. Viele Posts handeln von der konservativen Einstellung der Schulen zu Homosexualität, Umgang mit Sexualität oder der Rolle der Frau in der Gesellschaft. So schildert ein Nutzer intensives Mobbing, „besonders für Jungen, die nicht ,männlich‘ waren. Trainer verließen die Umkleidekabine, wenn ,weiche‘ Jungen in der Dusche mit Handtüchern ausgepeitscht oder ihre Köpfe in der Toilette gespült wurden“.

Ein anderer Twitternutzer berichtet davon, dass es ewig gedauert habe, bis bei ihm eine Angststörung diagnostiziert wurde. „Denn als ich um Hilfe bat, wurde mir gesagt, ich solle beten und Gott würde auf wundersame Weise meine Furcht verschwinden lassen. Hatte ich immer noch Angst, bedeutete dies, dass ich nicht richtig betete und in Hölle komme.“

Wieder andere Schreiber verteidigten christliche Schulen. Ein Nutzer notierte: „Ich bin auf eine christliche Schule gegangen und lernte so mehr über den Holocaust, die Bürgerrechte und sogar über Hiroshima als an meiner öffentlichen Universität, obwohl ich Geschichte als Hauptfach hatte.“

Wieder andere Personen fragen beim Kurznachrichtendienst, wie nach der Veröffentlichung der Geschichten den Betroffenen geholfen werden kann. Stroop, der auf Twitter die Diskussion startete und seinen Doktor an der Stanford University machte, erklärte laut ABC News: „Nicht alles war schlecht – Ich hatte Lehrer, die mich akademisch ermutigt haben. […] Aber ich glaube nicht, dass Bildung als Indoktrinierung richtig ist.“

Atheist: Katholische Schule war tolerant

Greg Lukianoff, ein US-Anwalt, der sich für Meinungsfreiheit einsetzt, verfolgt auch die Debatte. Seit der 7. Klasse sei er „ausgesprochener Atheist“ gewesen. „Erst als Erwachsener wurde mir klar, wie freundlich und tolerant meine katholische Highschool mir gegenüber war.“ In einem Telefoninterview erklärte er laut ABC News, er pflege enge Freundschaften zu Menschen, die sowohl religiöse als auch säkulare Schulen abgeschlossen hätten. Er hält es für unproduktiv, verallgemeinernd über diese jeweiligen Bildungseinrichtungen zu sprechen.

Pfarrer Russell Moore, ein hochrangiger Vertreter der Southern Baptist Convention, erklärte laut der Washington Post, dass die jüngsten Kritikpunkte an christlichen Schulen einige breitere gesellschaftliche Trends widerspiegelten, die konservative Leiter angeheizt hätten. Er sagte: „Es gibt eine gewisse Einstellung in Amerika, die jede religiöse Überzeugung für autoritär hält.“ Das Bildungsniveau an christlichen Schulen sei alles in allem „auf einem guten Stand“.

Laut Angaben des Nationalen Zentrums für Bildungsstatistik besuchen rund 5,9 Millionen amerikanische Schüler Privatschulen. Etwa ein Drittel davon besuchte eine der rund 22.000 christlichen Schulen, schreibt ABC News. Laut dem Rat für amerikanische private Bildung gehen 707.000 Mädchen und Jungen auf eine „konservativ christliche“ Schule.

Von: Martina Blatt

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