Kirchen konkurrierten nicht nur mit anderen Kirchen, sondern mit allem, was Aufmerksamkeit auf sich ziehe, sagte der amerikanische Digitalisierungsexperte Chris Lim am Samstag auf der Konferenz „Gott@Digital“ in Darmstadt. Das liege auch daran, dass Kirchen ihre „Gatekeeper“-Funktion (deutsch: Torwächter) verlören. „Früher musste man ins Predigerseminar gehen, um Pastor zu werden und in einer Kirche zu unterrichten“, sagte der IT-Experte. Das Internet jedoch ermögliche heutzutage jedem Nutzer, eine Predigt auf YouTube zu veröffentlichen und damit ein weltweites Publikum zu erreichen.
Lim zeigte jedoch auch auf, wie Gott die Digitaltechnik einsetze, um Menschen auf der ganzen Welt zu erreichen. Bestimmte Programme und Apps ermöglichten es, die Bibel über digitale Angebote auf einfache Weise in viele Teile der Welt zu bringen – vor allem in Regionen, wo der Zugang zur Bibel politisch erschwert ist.
Gemeindearbeit mit digitalen Angeboten
Für Gemeinden gab es auf der Innovationskonferenz zahlreiche Impulse, wie die bereits vorhandenen Programme eingesetzt werden können. Gründer und Medienexperten stellten den rund 170 Teilnehmern aus Gemeinden, der IT- und Medienbranche digitale Projekte aus dem deutschsprachigen Raum vor – etwa die App „b-next“, die Gemeinden nutzen können, um die Gottesdienstinhalte um zusätzliche Texte, Videoclips oder Chats zu ergänzen. Darunter auch „Das Bibel-Projekt“, das kurze Videoclips zu biblischen Büchern veröffentlicht oder „ChurchTools“, ein Programm zur Verwaltung von Gemeindearbeit.
Dass nicht alle Gründer mit ihren Projekten erfolgreich sind, erklärte der Vorstandsvorsitzende von ERF Medien, Jörg Dechert. Denn viele digitale Projekte würden aus der Produzentensicht heraus angegangen und scheiterten schließlich daran, dass die Entwickler ihren potenziellen Kunden nicht kennen. „Viele christliche Angebote kopieren, was es im säkularen Bereich längst gibt und dort längst funktioniert. Warum müssen Dinge für die christliche Subkultur nachgebaut werden?“, sagte Dechert. Er ermutigte die Konferenzteilnehmer dazu, bei digitalen Projekten umzudenken: simple Ideen aufgreifen, unternehmerisch denken, von erfolgreichen Projekten lernen, sich vernetzen, um vorhandenes Potenzial zu nutzen, und darüber hinaus mehr Experimentierfreude zeigen. „Man kann gute Ideen nur gebären, wenn man bereit ist, die schlechten zu beerdigen“, betonte er.
Technik und christliches Menschenbild
„Die größte Chance der Digitalisierung liegt für Gemeinden und christliche Organisationen darin, wie mittels Digitalisierung Menschen erreicht werden können“, sagte Guido Falkenberg gegenüber pro. Der Informatiker ist Mitinitiator von „Gott@Digital“. Gerade die junge Generation, die digitale Medien sehr stark nutze, könne mit verständlichen und attraktiven Angeboten erreicht werden. Aber auch ältere Menschen, die beispielsweise nicht mehr in die Gottesdienste kommen können, könnten mit Mitteln der Digitalisierung mit geistlichen Angeboten erreicht und versorgt werden.
Eine Gefahr sieht Falkenberg allerdings darin, die Digitalisierung als Selbstzweck zu sehen. Sie könne unbegrenzt und unkontrolliert auch zu Suchtverhalten führen. Auch, dass Digitalisierung zur Kontrolle und zur Überwachung verwendet wird, sieht der Informatiker kritisch. Es gelte, sich darüber bewusst zu werden, welche Werte mit der Technik vermittelt werden. Daher sollte Digitalisierungsprojekten das christliche Menschenbild zugrunde zu legen. „Als Christen sollen wir Menschen dienen, nicht kontrollieren. Das ist eine klare biblische Botschaft. Daran müssen sich digitale christliche Projekte messen lassen.“
Zweite Konferenz geplant
Auf der Konferenz wollten die Veranstalter auch einen Raum zur Vernetzung schaffen. „Mir ist aufgefallen, dass Menschen, die im digitalen Bereich aktiv sind, keine Fläche haben zum Austausch und zur Vernetzung“, erklärte Guido Falkenberg gegenüber pro. Um das zu gewährleisten, wollen die Veranstalter die Konferenz, die von ERF Medien, dem Christlichen Medienverbund KEP und dem Bibellesebund unterstützt wurde, weiter ausbauen und im nächsten Jahr erneut anbieten. Bis dahin soll die finanzielle und technische Förderung sowie die Vernetzung in Entwickler-Communities vorangetrieben werden.
Von: Anne Klotz/Norbert Schäfer