Böhmermann will Hass mit Liebe begegnen

Mit einer Netzinitiative will Moderator und Satiriker Jan Böhmermann den Hass im Netz bekämpfen. Im Rahmen der „Reconquista Internet“ sollen Follower gezielt Liebe und Freundlichkeit im Internet verbreiten. Doch daran regt sich auch Kritik.
Von Anna Lutz
Jan Böhmermann

Jan Böhmermann ist Satiriker, aber auch politischer Aktivist. Wie ernst ihm sein aktuelles Anliegen ist, machte er auf der Netzkonferenz Republica am Donnerstag in Berlin klar. Mit wenig Witz, dafür aber viel Engagement berichtete er vor tausenden Netzfans von seiner „Reconquista Internet“. Der Name leitet sich vom rechten Trollserver „Reconquista Germanica“ ab, will aber das Gegenteil. Statt Hass und Häme zu verbreiten, sollen die dort Organisierten gezielt liebevoll im Internet agieren.

Jan Böhmermann war auf der Republica aus Köln zugeschaltet. Foto: republica | CC BY-SA 2.0 Generic
Jan Böhmermann war auf der Republica aus Köln zugeschaltet.

Ende April machte Böhmermann die Aktion in seiner Sendung Neo Magazin Royal bekannt. Bereits wenige Tage später hatten sich auf dem entsprechenden Discord-Server rund 50.000 Nutzer versammelt. Der Dienst ist zu bestimmten Zeiten geöffnet, um sich auszutauschen. Böhmermann nannte seine Aktion eine „aus Versehen gegründete Bürgerrechtsbewegung“. Die große Unterstützung sei auch für ihn überraschend gewesen.

Mit Liebe gegen Trolls

Anlass der Gründung sei gewesen, dass er und seine Redaktion dem wachsenden Hass im Netz etwas entgegensetzen wollten. Böhmermann sprach von einer „Kommunikationsspirale, die abwärts führt“: Für viele User im Netz seien Grundrechte nicht mehr selbstverständlich. Dass sie sich permanent äußerten, führe dazu, dass immer mehr Menschen demokratische Werte in Frage stellten. „Das geht so nicht weiter“, sagte der Satiriker, und: „Es ist Zeit, etwas dagegen zu machen.“

Seine Antwort nennt er „Lovetrolling“. Er und seine Bewegung wollen liebevollen Gegenlärm verursachen. „Es gibt etwas, das uns verbindet“, sagte er. Positiv gestimmt habe ihn zum Beispiel das einvernehmliche Einstehen für den bis vor kurzem in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel. Aktivisten von der boulevardesken Bild-Zeitung bis zur linken taz hätten sich dabei zusammengetan, ihre sonstigen Unterschiede außen vor gelassen, und sich für die gute Sache eingesetzt.

Zeitgleich mit Böhmermann veröffentlichte die öffentlich-rechtliche Initiative funk ausführliche Recherchen zur rechten „Reconquista Germanica“. Unter dem Titel „Lösch dich: So organisiert ist der Hass im Netz“ sind die aufwändigen Recherchen als Doku erschienen. Journalist Patrick Stegemann sagte auf der Republica, er habe diesen Film machen wollen, weil von rechten, organisierten Trollen eine Gefahr ausgehe. Ihr Hass sorge dafür, dass deren Themen im Netz besonders repräsentiert seien und grundlegende Werte in Frage gestellt würden.

Auch Journalisten im Visier

Zu Böhmermanns Aktion kursierte zwischenzeitlich eine Liste mit Twitter-Accounts, die „mit Liebe getrollt“ werden sollen, im Netz. Darauf fanden sich nicht nur Accounts rechtsextremer Trolle, sondern beispielsweise auch die parteilose Politikerin und ehemalige Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach sowie mehrere Journalisten und Autoren, darunter Roland Tichy und David Berger. Mehrere Nutzer sprechen deshalb von Einschüchterung und einem Angriff auf die Meinungsfreiheit.

Von: Anna Lutz

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