Abdel-Samad: „Hört auf, Euch als Opfer zu fühlen“

Mit einer eindringlichen Video-Botschaft hat sich der Islamkritiker Hamed Abdel-Samad an junge Muslime gewandt. Er appelliert an sie, sich nicht immer als Opfer zu sehen und sich instrumentalisieren zu lassen. Stattdessen sei es wichtig, „Liebe in die Welt zu pflanzen“.
Von Johannes Blöcher-Weil
Hamed Abdel-Samad warnt in einem Video junge Muslime davor, sich instrumentalisieren zu lassen

Der Islamkritiker Hamed Abdel-Samad möchte nicht, dass sich junge Muslime als verlängerter Arm von Dschihadisten missbrauchen lassen. In einem 16-minütigen Video analysiert er die Gründe für die Wut junger Muslime und wie den Fanatikern die Instrumentalisierung der jungen Generation gelingt.

Abdel-Samad richtet sich direkt an seine Zuschauer, die dieses Video auch von einem Großscheich, einem türkischen Minister oder Migrationsforscher hätten erwarten können. Diese würden aber „immer nur zu Dir sprechen, aber nie mit Dir“. Viele junge Menschen seien müde oder wütend, weil es für ihre Probleme keine Lösung gebe. Als Ausweg würden sie sich den Dschihadisten anschließen, die ihr Leben und das Leben anderer sinnlos zerstörten.

Deutlicher positionieren, bevor es zu spät ist

Der Rhythmus der sinnlosen Anschläge werde immer schneller. Friedliche Muslime seien es leid, sich rechtfertigen zu müssen. Wer Dschihadisten gewähren lasse, verantworte deren Taten mit. Von daher müssten sich die Menschen deutlicher gegen Hass und Gewalt positionieren, „bevor es zu spät ist“. Fehler könne man nicht durch größere Fehler korrigieren.

Junge Muslime seien von der eigenen Wut berauscht. Aber nicht alles, was sie für wahr hielten, sei auch wahr. Gegen fehlende Zuneigung setzten sie Gewalt als Strategie ein, um ihre Konflikte zu bewältigen. Hinter mancher Ablehnung in einem fremden Land stehe nicht zwangsläufig immer Rassismus.

Problematisch wird es für Abdel-Samad, wenn die Wut langfristig unterdrückt wird. Daraus resultierende sinnlose Gewalttaten füllten nur die Bankkonten einiger weniger. Wer eine Person möge, schicke sie aber nicht in den Tod. Wer verzweifelt sei, empfinde den Tod vielleicht als Erlösung, aber Sex im Paradies als Belohnung für den Tod von Unschuldigen erscheint Abdel-Samad absurd. Von jungen Muslime wünscht er sich, dass sie den Problemen in die Augen schauen, statt Gewalt und Hass zu fördern.

Auch in der eigenen Moschee gegen Hass und Gewalt vorgehen

„Heroisch ist es, wenn du gegen Hass und Gewalt vorgehst, auch in deiner Moschee. Heroisch ist es, wenn du deiner Schwester hilfst, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.“ Krisen seien immer auch Chancen: „Du bist kein Opfer, sondern ein Mensch mit viel Potenzial. So, mach was daraus!“, wünscht sich Abdel-Samad. Die jungen Menschen sollten Liebe pflanzen, das Gute in sich suchen, nicht aufgeben und sich von niemand instrumentalisieren lassen.

Das Video gibt es auf Deutsch, Arabisch und Englisch. Allein die arabische Ansprache erreichte binnen fünf Tagen über eine Million Zuschauer, meldet die Tageszeitung Die Welt. Bei der deutschen Version waren es mehr als 200.000 Zuschauer. Laut der Zeitung ist das Echo auf das Video gespalten. (pro)

Von: jw

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