Pornos gehören bei einem großen Teil der Jugendlichen und Erwachsenen zum Alltag, auch bei Christen. Die Bilderflut kann die Vorstellung vom Sex verändern und zur Sucht werden. Doch der Weg aus einem Kreislauf des unkontrollierten Porno-Konsums ist möglich. Es gibt Hilfe für Betroffene, deren Partner und Singles.
Von PRO
Foto: Iain Campbell
Wer Pornografie konsumiert, kompensiert oft ein Defizit
„Es tat weh. Ich saß da und heulte. Ich schlug meinen Kopf gegen die Schreibtischplatte. Mein Kopf tat kaum weh, weil die Schmerzen in meinem Herzen stärker waren.“ Christoph hatte sich wieder pornografische Bilder im Netz angeschaut. Und das, obwohl er sich fest vorgenommen hatte, es sein zu lassen. „Jetzt war es wieder passiert und ich wusste, ich muss es ihr sagen. Ich wusste, ich würde sie damit wieder verletzen. Sie, die Frau, die ich liebe und mit der ich alt werden möchte. Das letzte Mal hatte meine Frau toll und liebevoll reagiert, aber sie war entsetzt und verletzt.“ Diese Schilderungen und Zitate stammen aus Christoph Pahls Buch „‚Voll Porno!‘– Warum echte Kerle ‚Nein‘ sagen“.
Pornografie gehört bei einem großen Teil der Jugendlichen und Erwachsenen zur Sexualität. Im Alter von 13 Jahren haben fast 70 Prozent der Jungen und 43 Prozent der Mädchen schon einmal pornografische Bilder oder Filme gesehen. Diese Zahlen sind aus der Dr.-Sommer-Studie aus dem Jahr 2009, noch vor der Smartphone-Revolution. Ausführliche aktuellere deutsche Studien gibt es kaum. Im Alter von 17 Jahren haben schließlich 93 Prozent der Jungen und 80 Prozent der Mädchen mindestens schon einmal sexuelle Handlungen als Film gesehen. Nikolaus Franke, Jugendreferent beim Weißen Kreuz, geht davon aus, dass die Zahlen heute noch höher sind als 2009. Insgesamt schauen mehr Jungen als Mädchen Pornos. Es gebe aber auch Mädchen, die regelmäßig Pornos nutzten, und wiederum Jungen, die nie welche konsumierten.
Pornos lenken ab
Der Konsum von Pornos gehört laut unterschiedlicher Umfragen auch in christlichen Kreisen zum Alltag. Bei einer 2014 durchgeführten Umfrage in den USA kam heraus, dass fast zwei Drittel der sich selbst als Christen bezeichnenden Männer Pornografie mindestens einmal im Monat oder öfter anschauten, bei den Nichtchristen waren es nur wenig mehr. Sieben Prozent der Christen gaben an, mehrmals täglich Pornos zu konsumieren, von den Nichtchristen waren es drei Prozent. 15 Prozent der christlichen Frauen nutzten einmal im Monat oder öfter Pornografie, bei den Nichtchristinnen waren es doppelt so viele.
Doch warum schauen Menschen überhaupt Pornos? Bei Jugendlichen sind die Motive nicht immer sexuell, weiß Franke. Manche tun es aus Neugierde, andere als Mutprobe oder weil sie aus den Pornos etwas lernen wollen. Viele Jugendliche merkten, dass Pornos auch angenehme Gefühle auslösen, neben der Belustigung und dem Ekel. Dann kann es mitunter zu einer Zerrissenheit zwischen abgestoßen und angezogen Sein kommen, erklärt Franke. „Wenn ein Jugendlicher bereits masturbiert, und dann in Kontakt mit Pornografie kommt, wird er vermutlich relativ schnell anfangen, sich zu pornografischen Inhalten zu befriedigen, um darüber hinaus mit dem Geschehen die eigene Fantasie anzuregen.“ Jugendliche erlebten, dass sie mit der Pornografie unangenehme Gefühle regulieren könnten, wie etwa Stress, Überforderung, Langeweile, Frust oder auch Demütigung. „In all dem ist der Porno ein Mittel zum Vergessen, zum Trösten, zum Ablenken. Der Porno hat eine Funktion“, sagt Franke.
Das sei auch bei Erwachsenen zu beobachten. In der Regel folge dies speziellen Mustern und Porno-Ritualen: bestimmte Situationen oder Auslöser führten zum Pornokonsum. „Diese pornografischen Skripte und Rituale verfestigen sich mit der Zeit.“ Franke hält Kompensation für den Hauptgrund, um Pornos anzuschauen. „Pornografie und Sexualität haben immer die Möglichkeit, unseren Mangel zu füllen. Natürlich greifen Menschen auch zu Pornografie, weil sie keinen Partner haben, aber dann könnten sie auch masturbieren.“ Der Porno biete meist „die größere Sensation“.
Über Sex und Pornos reden
Jugendreferent Franke rät Eltern, den Kindern die Erstinformation zum Thema Pornografie zu geben, möglichst noch im Grundschulalter. Denn den ersten Kontakt damit haben Kinder in Deutschland durchschnittlich mit elf bis zwölf Jahren. Eltern könnten ihren Kindern etwa Folgendes sagen: „Es gibt im Internet Bilder von Sexualität, da schlafen zwei Menschen miteinander, die sind nackt und man kann das auch sehen. Das sind Bilder, die sind für Erwachsene gemacht, um damit Geld zu verdienen, weil man mit Sex viele Dinge verkaufen kann. Diese Bilder machen meist starke Gefühle, auch bei Kindern, und wenn du mal solche Bilder siehst und es starke Gefühle macht, sei nicht verunsichert. Komm zu mir, wir reden darüber, wir beten auch.“
Eltern sollten ihre Kinder darauf hinweisen, dass es nicht gut ist, sich diese Bilder anzuschauen, weil sich diese sonst im Kopf einprägten, und es besser sei, „eine eigene sexuelle Liebe und romantische Geschichte zu haben“. Wichtig sei auch, zu erklären, dass Pornos für einen Markt gemacht worden sind. Die Kinder hielten die Filme dann auch für weniger realistisch. Zudem sollten Eltern Kindern Handlungshinweise geben, wie etwa, wenn Freunde ihnen auf einer Feier solche Bilder zeigten, ihnen zu sagen, dass sie die nicht sehen wollten. Im Notfall sei es besser, die Feier zu verlassen.
Neue Bedürfnisse durch Pornos
Christina Rammler sprach für ihr Buch „Egosex. Was Porno mit uns macht“ mit Frauen und Männern darüber, was sie mit Pornos machen und was Porno mit ihnen macht. Sie notiert: „Pornos […] füttern uns mit Bildern, die den Hunger nach mehr nicht stillen, sondern verstärken – nach immer mehr von diesen Bildern.“ Peter Redvoort beschreibt in seinem Buch „Pornos machen traurig“, dass ihn manche sexuelle Vorstellungen, die er aus Pornos kennt, heute erregen – obwohl er sie sich in der „unschuldigen“ Zeit davor nie gewünscht hat. „Das beunruhigt mich.“ Er schließt daraus: „Pornos können offensichtlich Bedürfnisse heranzüchten, die vorher noch nicht da waren. Pornografie funktioniert also wie Werbung, die mir Lust auf ein neues Auto oder ein neues Handy macht, obwohl ich ohne beides eigentlich hochzufrieden war.“
Regelmäßiger Konsum von Pornografie habe Suchtpotenzial, sagt Franke. Das wiederholte Anschauen könne die eigene sexuelle Zufriedenheit beeinflussen. Porno-Konsumenten geben in Studien seltener an, mit ihrem eigenen und dem Körper des Partners zufrieden zu sein, als Probanden, die keine Pornos schauten. Franke sagt: „Bei vielen Porno-Konsumenten ist zu beobachten: Je mehr man konsumiert, desto positiver bewertet man Pornografie, umso wahrscheinlicher hält man promiske Formen der Sexualität und umso eher ist man bereit, sie auszuprobieren.“ Studien dokumentieren, dass Jugendliche, je häufiger sie Internetpornos konsumieren, das Gezeigte für realistischer halten. Der regelmäßige Konsum kann auch ein negatives Frauenbild fördern und dazu führen, Frauen auf ein Objekt sexueller Begierde zu reduzieren. Pornokonsum könne ein Faktor sein, der die Hemmschwelle senkt, selbst zum Täter sexueller Gewalt zu werden, warnen Experten.
Die Sexologin Monika Büchner sagte im Interview mit der Zeitung Die Welt: „Pornos […] vermitteln ein vollkommen falsches Bild von Sexualität. Diese Filme sparen aus, wie sich Zweisamkeit entwickelt – nämlich im Normalfall langsam und Schritt für Schritt.“ Jemanden ohne sexuelle Erfahrung könne das total abschrecken. Büchner sieht es als ein „echtes Problem, dass Jugendliche heutzutage so einfach Zugang dazu haben“. Die Clips funktionierten optisch, die Erregung komme nicht aus dem Inneren des Menschen, „sondern von außen und wird mit der Hand verstärkt“. Wenn jemand Sexualität über Jahre so ausübe, könne es sein, dass ihn eine echte Person sexuell nicht erregt. „Denn der Körper weiß gar nicht, dass Erregung durch Berührung entstehen kann, er ist anders trainiert.“
„Porno tritt in Konkurrenz zu Gott“
Peter Dabrock, Professor für Systematische Theologie und Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrates, saß der Kommission vor, die für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein Papier zur evangelischen Sexualethik erarbeiten sollte. Die EKD veröffentlichte die Schrift jedoch nicht. Im Sommer ist sie in einer überarbeiteten Version unter dem Titel „Umverschämt – schön. Sexualethik: evangelisch und lebensnah“ als Buch erschienen, aber nicht als Verlautbarung der EKD. Das Buch bewertet Pornografie als eine „fragwürdige Form“ der Sexualität. Der Ethiker sieht nicht in jeder Form von Pornografie per se eine Form „destruktiver Sexualität“. Formen von sexualisierter Gewalt jedoch, Vergewaltigungsszenen, Kinderpornografie oder Sex mit Tieren, „sind schlicht destruktiv und als moralisch verwerflich zu qualifizieren. Weichere Formen sind aber auch nicht unproblematisch.“ Eine kirchenaffine Ethik sei „an der Menschenwürde orientiert. Sie bedenkt Verantwortlichkeit als Voraussetzung von Sexualität sowie deren Folgen“.
Beim Blick auf Pornografie gelte es, zu fragen, „ob und wie das eigene Verhalten der in Christus besiegelten Treue Gottes zu den Menschen und dem Gebot der Gottes- und Nächstenliebe entspricht“. Dafür sei die Treue zum Partner und zur Familie das „zentrale Glaubwürdigkeitskriterium“. Man könne nicht sagen, Pornokonsum habe keinen Einfluss auf die Beziehungen. Gleichzeitig verweist er darauf: „Nicht jede Beziehung, in der jemand Pornos konsumiert, geht gleich kaputt.“ Weiter erklärt Dabrock im Gespräch mit pro: „Alles, was Suchtcharakter hat, kann mich von Gott, den Nächsten, sprich dem Partner und dem familiären sowie dem sozialen Umfeld, in dem ich verankert und vernetzt bin, und von unseren Aufgaben, zu denen wir berufen sind, entfernen.“
Auch Jugendreferent Franke findet: Wenn Pornos zu einem Tröster werden, treten sie in Konkurrenz zu Gott. Darüber hinaus stelle sich die Frage: Verliert die Intimität an Würde, wenn sie nicht mehr intim, sondern öffentlich ist, und Sex, bei dem alles zu sehen ist, auf dem Bildschirm stattfindet? Mit Blick auf die Menschenwürde sieht Franke es auch kritisch, dass Körper zur sexuellen Befriedigung und Lust instrumentalisiert werden.
Es gibt auch Stimmen, die Pornografie positiv bewerten. Claudius Seidl schrieb in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung ein Plädoyer für die Pornografie. Seidl meint, sie helfe etwa bei der Interpretation der Rolle des Mannes in einer Sexualbeziehung. So erweitere Pornografie auch den Horizont, wie jeder Film, „in welchem man, zumindest symbolisch, Konflikte durchspielen, Handlungsmöglichkeiten bewerten kann“. Dem Publikum dürfe man „ruhig zutrauen, dass es das Inszenierte als inszeniert erkennt und mit den Rollenvorschlägen und Handlungsalternativen trotzdem etwas anfangen kann“. Seidl meint aber auch: „Man muss das alles nicht verharmlosen oder idealisieren; es sind nicht Lehrfilme für den Schulunterricht. […] Man darf das alles nicht mit der Realität verwechseln. Auch Pornofilme sind fiktionale Werke.“
Hilfe für Betroffene und ihre Partner
Wenn ein von unkontrolliertem Pornokonsum Betroffener Hilfe sucht, „muss er für sich verstehen und erkennen, was sein Problem ist und welche Funktion Pornografie für ihn hat“, sagt Franke vom Weißen Kreuz. Er könne an den Ursachen von negativen Gefühlen und am Umgang mit seinen Bedürfnissen, an der Frustrationstoleranz und der Impulskontrolle arbeiten. Auch könne es helfen, Blockaden für den Konsum einzubauen wie etwa eine Schutzsoftware. Franke rät Betroffenen, regelmäßig eine Kontaktperson anzurufen, bevor sie Pornos konsumieren. Dies helfe, inne zu halten und gegebenenfalls auf das Schauen zu verzichten. Der Betroffene sollte mit einem Vertrauten regelmäßig über den Pornokonsum reden. In manchen Fällen der Porno-Sucht sei psychologische Hilfe empfehlenswert.
Franke sagt, für die Partnerinnen der Betroffenen sei wichtig zu wissen: „Mein Mann meint in seinem Porno-Konsum nicht mich.“ Partnerschaftliche Sexualität und Porno-Sexualität seien nicht dasselbe und hätten für den Konsumenten unterschiedliche Funktionen. „Eine Frau kann sich oft schwerlich vorstellen, dass ein Mann Pornos konsumiert und das nichts mit ihr zu tun hat, dass er sie trotzdem noch genauso schön findet, die Beziehung genießt, er nichts vermisst – aber es ist tatsächlich bei den meisten Männern der Fall.“
Franke empfiehlt, den betroffenen Partner klar mit seinem Problem zu konfrontieren, ihn aber als Mensch und Partner weiterhin anzunehmen, zu vergeben und die Beziehung nicht gleich zur Diskussion zu stellen. Gleichzeitig sollte die Partnerin „aber sehr klar die Pornografie als ein Übel adressieren, das sie nicht zu akzeptieren bereit ist“. Fast jeder Konsument habe Rückfälle. Wichtig sei, wieder aufzustehen. Bilder, die sich Betroffene bei Rückfällen anschauten, prägten sich mitunter besonders im Gehirn ein, sagt Franke.
Christoph Pahl, der Autor von „‚Voll Porno!‘– Warum echte Kerle ‚Nein‘ sagen.“, arbeitete an seinem Pornokonsum. Das geht meist nicht allein. Er schreibt: „Was ich mir aus meiner Erfahrung als Konsument von Pornos heraus wünsche, ist, dass andere sich Mühe geben, mich zu verstehen.“ Verstehen bedeute für ihn nicht, alles gut zu finden oder sein Verhalten zu akzeptieren. „Verstanden werden bedeutet für mich, dass man mir zuhört, dass man sich informiert: Wie geht es dem anderen mit dem Thema? Was kann hinter Pornokonsum stecken? Wieso tun Menschen sowas?“ Seine Frau hat genau das getan, versucht, ihn zu verstehen, ihn gefragt, im Internet recherchiert, gute männliche Freunde gefragt. Auch wenn sie bis heute nicht alles verstanden habe, empfand Christoph es positiv, zu sehen, dass sie ihn nicht als „perversen Lüstling“ abgestempelt habe, sondern dahinter geschaut hat. „Besonders deshalb, weil ich mich in den Phasen des Verlangens nach Pornos selbst nicht verstanden habe.“
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