In Lemgo steht Deutschlands wohl einzige „Kirche“ für Computerspieler. Dorthin laden junge Christen andere Menschen zum gemeinsamen Zocken ein. Sie möchten ihnen dabei etwas von der Liebe Jesu weitergeben.
Von PRO
Foto: Game Church
Jesus liebt Gamer: mit diesem Motto wirbt die Game Church auch auf Spielemessen
Die letzten Vorbereitungen laufen. Die neuesten Updates werden noch auf die Rechner gespielt und Boxen eingestöpselt. Der Kühlschrank ist gefüllt mit Getränken. In wenigen Minuten öffnet die „Arena“. Sie ist ein Bestandteil der Arbeit von „GameChurch Deutschland“ – der Kirche für Computerspieler. Die „Arena“ liegt unscheinbar in der Innenstadt Lemgos, das so etwas wie die Hauptstadt der christlichen Computerspiel-Szene ist. In dem modern gestalteten Raum eines Wohnhauses treffen sich zwei Mal in der Woche vorwiegend junge Menschen zum Computerspielen. Hinter der „GameChurch“ stecken junge Erwachsene, die das Computerspielen und den Glauben miteinander verbinden. Deshalb gründeten sie den deutschen Ableger der Bewegung. Treibende Kraft dafür war Daniel Schmidt, den alle einfach nur „Schmiddi“ nennen. „Für mich ist das Konzept deswegen so genial, weil es zwei Sachen verbindet, die mir auf dem Herzen liegen“, erzählt der 23-jährige Student. Er spielt selbst gerne und viel Computer. Deswegen fragte er sich und Gott, wie er Menschen aus der Gamer-Kultur erreichen kann. 2012 hat er Kontakt zur „GameChurch“-Bewegung aufgenommen, die ihren Hauptsitz im kalifornischen Ventura hat.
Die Mitstreiter waren schnell gefunden. Ben Schnückel hat „Schmiddi“ in dessen Gemeinde getroffen. Nach anfänglichen Überlegungen war für Schnückel schnell klar: „Was auch immer du in dieser Richtung machst – ich bin dabei.“ Frank Renner, Mitarbeiter im CVJM Lemgo, gehört auch zu den Mitbegründern. Er freute sich, dass Schmidt eine „schon längst überfällige Idee“ aufgriff. Zusammen gründeten sie einen Verein. „Als Verein wirst du bei Messen ernster genommen. Zudem dürfen wir Spendenbescheinigungen ausstellen“, erklärt Renner. Mittlerweile ist das Kernteam auf neun Personen gewachsen. Die meisten von ihnen studieren derzeit.
Beim Zocken über den Glauben reden
Die anfänglichen Ideen mündeten in einem konkreten lokalen Projekt: der „Arena“. Die Pastorin von Schmidts Gemeinde stellte einen nicht genutzten Raum ihres Wohnhauses zur Verfügung. Ein Spender aus den USA, dem die „GameChurch“-Bewegung ein Anliegen ist, hat die drei Fernseher, zwei Rechner, eine X-Box und eine Play-Station sowie die Sofas bezahlt. So kam ein Puzzleteil zum anderen.
Donnerstags und freitags hat die „Arena“ bis 23 beziehungsweise 24 Uhr geöffnet: „Offiziell, aber manchmal auch deutlich länger“, schmunzelt Schmidt. Kurz bevor er und seine Kollegen öffnen, sprechen sie noch ein Gebet und geben die Gespräche des Abends und die Begegnungen in Gottes Hände.
Wenn die Gäste dann da sind, machen die Mitarbeiter das, was sie sowieso gerne machen: zocken, abhängen und mit den jungen Menschen über Gott und die Welt reden – sowohl bei Online-Spielen im digitalen Teamspeak als auch analog vor Ort. Vor Kurzem kam Schmidt mit einem jungen Mädchen ins Gespräch. Nach anfänglichem Smalltalk kamen sie auf Lebens- und Glaubens-fragen zu sprechen. Für die Mitglieder von „GameChurch“ sind das weder Zu- noch Einzelfälle. Sie treffen andere Spieler in ihrer Kultur, stellen Fragen und hören ihnen zu.
„Das Christsein in der Community zu leben macht den Unterschied, den die Mitspieler sehr schnell bemerken“, erklärt Schnückel. Bei einem Counter-Strike-Spiel hatten er und Schmidt sich nach einer üblen Aktion seines Mitspielers geweigert, sich an ihm zu rächen: ein für die Community ungewöhnliches Verhalten. Die Leute sagten ihm, dass sie mit einem solch positiv denkenden Menschen noch nie zusammengespielt hätten. Diese Tatsache hat Schmidt überrascht und auch etwas schockiert.
„Eltern haben kaum Ahnung von den Spielen“
Neben der lokalen Basis in Lemgo genießt die deutsche Gruppe die internationale Vernetzung der „GameChurch“-Bewegung. Ihre Schwerpunkte sind in Amerika, Großbritannien und Kanada. Häufig sind deren Mitglieder auf den einschlägigen Messen wie der Gamescom zu Gast. Dort verteilen sie die sogenannte „Jesus, For The Win“-Gamerbibel. Darin ist das Johannesevangelium enthalten und ein Kommentar, der sich auf das Computerspielen bezieht. „Wir können dort Menschen sagen, dass Jesus sie liebt. Die Menschen kommen auf uns zu. Fragende haben die Offenheit, eine Antwort zu finden“, beobachtet Schmidt. Für ihn sind die Gespräche auf den Messen und in der „Arena“ wichtig, auch um eigene theologische Standpunkte zu hinterfragen. An einem rüttelt er aber nicht: „Der rote Faden der Bibel ist, dass Jesus die Menschen liebt. Er ist für uns gekommen und hat alles gegeben.“ Diese Botschaft möchte Schmidt weitergeben – ohne den moralischen Zeigefinger, wie er in den USA häufig benutzt werde und der die Gamer verurteile.
Schmidt und seine Mitstreiter möchten mit ihrem Projekt auch die Sprachlosigkeit aufheben, die sie beim Thema „Computerspiele und Glauben“ wahrnehmen. Viele Eltern, Lehrer und Mitarbeiter in den Jugendgruppen der Gemeinden hätten keine Ahnung davon, was ihre Kinder dort spielten. „90 Prozent der Gespräche der Kinder drehen sich um dieses Thema. Da sollten wir uns auskennen.“ Er selbst werde häufig von Eltern und Lehrern zu den Inhalten bestimmter Spiele gefragt.
Das Phänomen Spielsucht hält er nur für marginal, nimmt es aber trotzdem ernst. Die Zahl der Spielsüchtigen sei mit 0,5 Prozent der Nutzer im Gegensatz zu Alkohol- und Nikotinsucht sehr gering. Sie betreffe vor allem Menschen, die problematisch sozialisiert seien und einen Ersatz brauchten, der sie erfüllt: „Wenn Menschen süchtig werden, ist vorher lange etwas anderes schief gelaufen“, findet Schmidt.
„Wir sind fröhliche Christen“
Das Ethos ihrer Arbeit nennen „Schmiddi“ und seine Freunde „GodmodeX“, kurz: GMX. Der Name bezieht sich auf einen Godmode („Gottesmodus“), eine Funktion, die jemanden in einem Spiel unverwundbar macht. „Vor dem christlichen Hintergrund finden wir den Namen doppelt schön. Wir zeigen gerne, dass wir nicht in die hinterwäldlerische, humorlose Schublade gehören, in die mancher Nichtchrist uns vielleicht stecken mag“, findet Schmidt.
GMX bedeutet für die Initiatoren: „Jeder ist willkommen, so wie er ist. Wir möchten Menschen verbinden, Beziehungen aufbauen und Gemeinschaft leben. Das sind drei Dinge, die in unserem Land eigentlich viel öfter geschehen sollten.“ Das Rezept ist einfach: Menschen mit Liebe zu begegnen. „Alle wollen Liebe. Wenn wir Christen nicht Liebe geben können, dann sind wir die ersten, die ihr Leben zu überdenken haben“, findet Schmidt.
Von der „Arena“ in der Lemgoer Innenstadt erfahren die Besucher entweder über soziale Netzwerke oder weil es sich unter den Gamern einfach herumspricht. Viel Werbung haben sie bisher noch nicht gemacht. Letztens sei ein Besucher da gewesen, der eher zufällig an dem Haus vorbeikam. Mit dem christlichen Glauben hatte er nicht viel am Hut. „Er hat geschätzt, dass er bei uns auf fröhliche unverkrampfte Christen getroffen ist und es nicht dem Bild entsprach, das er von Christen hatte. Das hat ihn neugierig gemacht, mehr vom christlichen Glauben zu erfahren“, erzählt Schmidt. Am Ende habe er noch Geld für die Arbeit gespendet.
Die Mitglieder überlegen schon, wie lange die Räumlichkeiten noch ausreichen. Mal kommen im Laufe des Abends nur vier Personen, mal sind alle zwölf Plätze belegt und sie müssten eigentlich erweitern. Als an einem Donnerstag ein Jugend-licher zum ersten Mal da ist, ist er so begeistert, dass er im Laufe des Abends noch ein halbes Dutzend Freunde nachholt. Und er verspricht wiederzukommen, weil es eine gute Sache sei. In der „Arena“ trifft er auf Mitarbeiter, die für ihre Arbeit brennen und zwei Leidenschaften teilen. Die eine davon ist für viele der jugendlichen Besucher das Thema Nummer eins in ihrem Leben: das Zocken am Computer und an der Playstation. Für „Schmiddi“ und seine Mitstreiter ist das die schönste Neben-sache der Welt. Die Hauptsache für sie ist, dass sie ihren Gästen sagen dürfen, dass Jesus sie liebt. (pro)
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