Der Kandidat für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, hält die private Seenotrettung „nicht ganz ohne Grund“ für „ziemlich umstritten“. Diese Meinung hat er in der Diskussion mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, in der ZDF-Sendung „Dunja Hayali“ vertreten. Dies sei in erster Linie eine staatliche Aufgabe.
Beide beschäftigten sich mit der Frage, ob private Seenotrettung für zusätzliche Fluchtbewegungen sorgt. Bedford-Strohm vertrat einen anderen Ansatzpunkt: „Wenn Menschen akut ertrinken, muss man sie schlicht retten.“ Schließlich sei jeder Mensch ein Geschöpf Gottes. Flüchtlingslager wie in Lampedusa seien überfüllt. Die Menschen würden dort mit ihren Problemen alleingelassen. Er bezeichnete es als „unwürdig“, dass sich der Staat aus der staatlichen Seenotrettung herausziehe und Europa keine gemeinsame Lösung finde.
Gewalt hat ein neues Level erreicht
Um die Lage zu veranschaulichen, hatte Hayali ein Flüchtlingslager auf Lesbos selbst besucht. Durch das Corona-Virus gebe es in dem Camp Ausgangssperren. Hautkrankheiten verbreiteten sich rasend schnell und viele Menschen seien am Ende ihrer Kräfte. Laut dort tätiger Hilfsorganisationen habe die Gewalt auf dem Mittelmeer ein neues Level erreicht. Im Lager seien Geflüchtete nur sich selbst überlassen und die medizinische Grundversorgung nicht gewährleistet.
Merz lenkte den Blick auf die Herkunftsländer der Flüchtlinge. Dort herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände oder Krieg. Er forderte eine gemeinsame Antwort Europas auf das Problem: „Das kann Deutschland nicht alleine leisten. Es ist aber eine Schande für Europa, dass sie das Problem nicht gemeinsam lösen.“ Die Politik dürfe sich nicht aus der humanitären Verantwortung stehlen und müsse langfristige und tragfähige Lösungen suchen.
Für Bedford-Strohm galt es, keine Zeit zu verlieren: „Wir können doch nicht warten, bis alle Staaten Europas dahinter stehen.“ Schon aus Mitgefühl und Nächstenliebe müssten die Staaten handeln. Das aktuelle Verhalten mancher Länder habe nichts mehr mit den christlichen Wurzeln Europas zu tun. In Deutschland kritisierte der Theologe das Gerangel zwischen Bund und Ländern: „Wir sollten Solidarität zeigen und das teilen, was wir haben.“ Jedes einzelne Leben zähle.
Merz warnte vor einem Überbietungswettbewerb der Städte und Gemeinden: „Letzten Endes muss der Staat die Gesamtverantwortung übernehmen.“ Der Frage, ob eine staatliche Seenotrettung im Mittelmeer organisiert werden sollte, wich er aus. Am Ende der Debatte stand fest, dass ein Klein-Klein keine dauerhafte Lösung ist. Die ausgetauschten Argumente waren nicht neu. Bedford-Strohm verteidigte das kirchliche Engagement für die Seenotrettung. Die evangelische Kirche hatte ein Schiff finanziert, um sich an der privaten Seenotrettung im Mittelmeer zu beteiligen.
Von: Johannes Blöcher-Weil