Wenn am Sonntag im Mercedes-Benz Stadium in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia die New England Patriots auf die Los Angeles Rams treffen, schaut (fast) ganz Amerika zu. Allein in den USA werden über 100 Millionen Football-Anhänger übers Fernsehen zuschauen, weltweit fast eine Milliarde. Tendenz steigend. Besonders in Deutschland hat American Football in den vergangenen Jahren einen Boom erfahren. Die Live-Übertragungen von Pro7 erreichen regelmäßig einen beachtlichen Marktanteil von bis zu 7 Prozent. Der letzte Super Bowl im Februar 2018 bescherte dem Sender teilweise eine Zuschauerquote von über 40 Prozent.
Das Endspiel der Saison, in der 32 amerikanische Mannschaften um die begehrte Vince-Lombardi-Trophy wetteifern, gibt es in dieser Form seit 1967. Die Tickets kosten auf dem Schwarzmarkt mittlerweile über 5.000 Dollar. Eine Firma, die sich für die dreistündige Übertragung einen Werbespot von 30 Sekunden leisten möchte, muss umgerechnet über vier Millionen Euro hinblättern. Jeder vierte Amerikaner plant den Besuch einer Super-Bowl-Party, wo er im Schnitt auf 16 andere Gäste trifft. Jeder zehnte Amerikaner geht am Tag nach dem Finale nicht zur Arbeit.
Im Super Bowl werden Helden gemacht, die in der amerikanischen Sportgeschichte verewigt sind. Dabei sind dramatische Geschichten mit biblischen Anleihen durchaus erwünscht – das Ungleichgewicht von „David gegen Goliath“ etwa, oder die Legende vom Außenseiter zum Favoriten. Der gläubige Quarterback Kurt Warner war 13 Jahre bei eben jenen „Rams“, die am Sonntag im Finale stehen (damals noch „St. Louis Rams“). Er hatte mit dem Football eigentlich schon abgeschlossen und füllte als Hilfsarbeiter in einem Supermarkt Regale auf, um dann doch noch zu einem „Hall of Famer“ aufzusteigen, einem Helden der Football-Geschichte. Die Amerikaner lieben so etwas.
„Faith, Family, Football“ ist ein amerikanischer Dreiklang, der in Europa nicht überall Resonanz hervorruft. Allenfalls in amerikanischen Spielfilmen schwappt manchmal etwas von dem rüber, was der christliche Glaube im Football bedeutet. Der Film „Blind Side“ mit Sandra Bullock in der Hauptrolle erzählte 2006 die wahre Geschichte der zutiefst gläubigen Familie Tuohy, die den obdachlosen Jungen Michael Oher aufnahm. Sie schickten ihn auf eine christliche Schule, erzogen ihn christlich, und schließlich wurde er Football-Spieler. Bis 2017 war „Big Mike“ Oher in der Profi-Liga NFL unter Vertrag, zuletzt bei den Carolina Panthers. Der Film wurde 2010 für einen Oscar als bester Film nominiert; Sandra Bullock gewann einen Oscar als Beste Hauptdarstellerin.
Fly, Eagles, Fly
Ein Team sorgte in der vergangenen Saison besonders für Aufsehen: Die Philadelphia Eagles hatten noch nie den Super Bowl gewonnen, und als sie es tatsächlich bis ins Endspiel schafften und den übermächtigen New England Patriots gegenüberstanden, galten sie als Underdogs. Ihr Sieg im Super Bowl LII eroberte die Herzen vieler Football-Fans, auch hierzulande. Aber noch etwas anderes macht dieses Team zu etwas Besonderem: Überdurchschnittlich viele Spieler sind überzeugte Christen, die ihren Glauben öffentlich teilen. Der Glaube an Jesus verbreitete sich wie ein Lauffeuer unter den schweren Jungs dieses Teams. Der Trainer Doug Pederson ist Christ, der erste Quarterback Carson Wentz, der Ersatz-Quarterback Nick Foles, selbst der Ersatz-Ersatz-Quarterback Nate Sudfeld sind Christen, ebenso wie viele andere Spieler des Teams.
In seinem aktuellen Buch „Birds of Pray“ berichtet der gläubige Sportjournalist Rob Maaddi von dem Team, das „durch eine Bruderschaft und einen besonderen Bund, den sie in Christus haben“, den Super Bowl gewann. Carson Wentz, der eigentliche Star-Quarterback der Philadelphia Eagles verletzte sich in Woche 14 am linken Knie. Sein Lebensmotto: Alles, was er tut, will er für Gott tun. „Für mich geht es dabei nicht nur ums Spielen, es bedeutet tatsächlich alles, ob ich nun mit Freunden zusammen bin, ob ich nach Hause fahre oder Abendbrot esse“, sagt der Sportler. Doch was den Glauben angeht, steht ihm sein Nachfolger Nick Foles, der Pastor werden will, in nichts nach.
Immer wenn die Eagles an einem Sonntag auswärts spielen mussten, trafen sich viele Spieler zu einem kleinen Gottesdienst im Hotel, schreibt Maaddi. „Anbetungszeit gehörte zur täglichen Routine dieses Teams ebenso wie das Lernen des Playbooks, Filme schauen und Muskeltrainig. Am Montagabend gab es im Team-Haus einen Bibelkreis. Auch am Donnerstag gab es Bibelstudien im Trainingsgebäude mit dem Pastor Ted Winsely. Am jeweiligen Abend vor Spielen gab es einen Gottesdienst im Team-Hotel, anschließend oft noch Gebete in den Räumen der Spieler.“ Am Tag des Super Bowl verbrachten viele Teammitglieder die Zeit damit, Videos ihrer Lieblings-Anbetungslieder über einen Beamer zu schauen. „Die Jungs hebten ihre Hände zum Herrn, sangen mit und richteten ihren Fokus auf das, was wirklich wichtig ist: Dem Herrn zu dienen, egal wie das Spiel ausgehen würde“, berichtet der Journalist.
Team-Pastor Kyle Horner hat zu vielen Spielern eine gute Beziehung. Er sagte dem Autor: „Sie lieben Jesus einfach. Sie benutzen Jesus nicht einfach als Krücke. Sie wollen einfach für ihre Brüder beten. Sie wollen das alles nicht tun, damit Gott zufrieden mit ihnen ist. Es gehört einfach zu ihnen dazu, Gott in die Mitte zu stellen.“ Das Gebet vor dem Spiel sei nicht nur ein Ritual, sondern „ein Akt der Liebe und eine Entscheidung für Gott“.
Football ist nicht das Wichtigste
Als die Eagles wie durch ein Wunder den fünffachen Champion, die Patriots, besiegten, stand der gerührte Coach Pederson nach dem Sieg vor dem Millionen-Publikum, die Trophäe in der Hand, und sagte auf die Frage des Moderators, wie er sich den unglaublichen Werdegang vom High-School-Lehrer vor neun Jahren hin zum Super Bowl-Sieger erklären könne: „Ich kann nur dem Herrn und Erlöser Jesus Christus danken für die Gelegenheit zu geben.“ Als nächster Spieler kam Tight End Zach Ertz an die Reihe, der sagte: „Als Erstes einmal alle Ehre Gott – ohne ihn wären wir nicht hier.“ Als Dritter schließlich stand der Quarterback und Held des Abends, Nick Foles, vor der Menge und sagte ebenfalls: „Alle Ehre Gott.“ Hunderte Millionen Menschen in Amerika und auf der ganzen Welt erlebten mit, wie drei der wichtigsten Menschen des Siegerteams in ihren wenigen Worten vor allem Wert darauf legten, dem die Ehre zu geben, der sie zu dem gemacht hat, der sie sind: Gott. Zach Ertz sagte in einem Interview: „Wenn ich noch vor zwei Jahren den Super Bowl gewonnen hätte, wäre es die größte Erfahrung überhaupt gewesen, aber jetzt, wo ich mein Leben inzwischen Christus gegeben habe, ist es nur ein Moment von anderen. Es ist nur ein weiteres Spiel.“ Fünf Spieler ließen sich in der Saison 2016 von Team-Pastor Ted Winsley auf dem Gelände der Eagles taufen, und der Pastor erkannte: „Es war, als habe es für sie Klick gemacht und sie erkannten, dass Football nicht der Sinn des Lebens ist; er ist eine Plattform, und unsere Aufgabe ist es, sie zur Verdeutlichung seiner Herrlichkeit zu machen.“
Dass Spieler der NFL gläubige Christen sind, ist nichts Ungewöhnliches. Reggie White, Kurt Warner, Tim Tebow und Russell Wilson sind vielleicht die bekanntesten. „Aber die Eagles aus der Saion 2017 waren eine andere Art von jungen Spielern, die das Evangelium leidenschaftlich mit anderen teilen und sich täglich gegenseitig im Glauben motivieren“, schreibt Maaddi. Sein Buch „Birds of Pray“, das im Verlag Zondervan bisher nur auf Englisch erschienen ist, ist faszinierend für jeden, der sich für die Schnittmenge von Football und christlichem Glauben interessiert. In diesem Jahr fielen die Eagles leider in den Playoffs aus dem Rennen. Aber der Eagles-Linebacker Jordan Hicks brachte es auf den Punkt: „Den Super Bowl zu gewinnen erfüllt dich nicht.“ So sehr man dieses Ziel auch erreichen wolle und hart dafür trainiere, so komme danach doch nur wieder die Sehnsucht, den nächsten Super Bowl zu gewinnen.
Dass es beim Glauben nicht einfach nur um den eisernen Willen zu gewinnen geht, demonstrierte in dieser Saison der Kicker der Chicago Bears, Cody Parkey. In einem Spiel im Januar hätte er sein zurückliegendes Team durch einen Kick (und die damit verbundenen drei Punkte) eine Runde weiter bringen können. Es misslang ihm, sein Schuss ging weit daneben. Und trotzdem konnten die Zuschauer im Stadion und an den Fernsehern eine verblüffende Geste beobachten: Trotz der Schmach des verschossenen Schusses richtete Parkey kurz seinen Finger in den Himmel und dankte Gott. In einem Interview erklärte der gläubige Christ später: „Ich wollte immer in guten und in schlechten Zeiten meinem Herrn und Erlöser Jesus Christus danken. Football ist das, was ich tue, aber nicht das, was ich bin.“
Von: Jörn Schumacher