„Organspende darf nicht zur Bereitschaftspflicht werden“

Der Gesundheitsminister Jens Spahn wirbt dafür, dass jeder als Organspender gilt, der nicht widerspricht. Darüber diskutierten die Gäste in der Talkshow „Anne Will“. Während der Theologe Wolfgang Huber die Idee des Gesundheitsministers ablehnte, unterstützte sie der Arzt Eckart von Hirschhausen.
Von PRO
Anne Will diskutierte am Sonntagabend mit ihren Gästen über das Für und Wider der von Jens Spahn angedachten Organspendelösung

In Deutschland warten zurzeit 10.000 Menschen auf eine Organspende, doch es gibt nicht genügend Spender. Um den Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), wonach jeder Bürger ein Organspender sein soll, der nicht widerspricht, ging es in der Talk-Sendung „Anne Will“ am Sonntag. Der Arzt und Kabarettist Eckart von Hirschhausen sprach sich für Spahns Vorschlag aus. Er halte die Lösung für sinnvoll, weil es häufig einen Unterschied zwischen dem erklärtem Willen gebe und dem, was jemand dokumentiere.

„Wenn ich vor meinen Schöpfer trete, wird er nicht sagen, wo ist deine andere Niere“, erklärte der Mediziner. Aus seiner Sicht stehe mit der neuen Idee das Gemeinwohl vor dem Egoismus. Viele Zuschauer seien ihm dankbar, dass er das Thema Organspende in sein Kabarett-Programm einbinde, um Ängste abzubauen. Die neue Regelung könne mehr Transparenz schaffen.

Lieber vertrauenswürdige Verfahren entwickeln

Wolfgang Huber, ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, sah in der Idee von Spahn nur eine oberflächliche Lösung. Es sei nicht gut, das Thema auf eine rechtliche Regelung zu reduzieren. Viel wichtiger sei es, nach der dramatischen Krise der Organtransplantation, das Vertrauen durch vertrauenswürdige Verfahren wieder herzustellen. Er halte es nicht für sinnvoll, die Last der Entscheidung bei den Menschen abzuladen, um das „Potenzial“ der Organspender gut zu erschließen.

Ziel müsse es sein, möglichst viele Menschen für das Thema zu sensibilisieren. Mit dem gemachten Vorschlag sei die Organspende keine Spende mehr, sondern bekomme den Charakter einer Bereitstellungspflicht. Der SPD-Politiker und Mediziner Karl Lauterbach befürwortete dagegen Spahns Lösung. Sie könne die Zahl der Spender erhöhen. Gleichzeitig müsse auch das Vertrauen potentieller Spender gewonnen werden. Lauterbach zufolge sei es keine Last, zu verlangen, aktiv Nein zur Organspende zu sagen: „Wenn ich weiß, dass ich Spender werde, beschäftige ich mich damit.“ Ohne die Widerspruchslösung sei es in keinem Land zu einer erhöhten Spenderzahl gekommen.

Trost durch Organspende

Die Augsburger Soziologin Alexandra Manzei sprach sich gegen eine eigene Organspende aus. Viele Laien hätten Angst vor einer Spende, diese Ängste müssten ernstgenommen werden, plädierte sie. Der frühere Bundesliga-Profi von Werder Bremen, Ivan Klasnic, hat eine Spenderniere. Aus seiner Sicht sorge die geplante Gesetzesänderung dafür, dass sich jeder mit dem Thema beschäftigen müsse, um sich dann frei zu entscheiden. Er selbst habe die Transplantation in Kroatien durchgeführt, weil ihm die Wartezeit in Deutschland – er sprach von sieben bis acht Jahren – zu lang gewesen sei.

Die Diskussionsteilnehmerin Anita Wolf hatte sich dafür entschieden, die Organe ihres Mannes zur Spende freizugeben. Mit der geplanten Gesetzgebung komme ein Prozess in Gang, sagte sie. Dieser bewahre die Angehörigen aber immer noch nicht vor der schwierigen Situation, sich für oder gegen die Organspende zu entscheiden. Sie habe sich damals hilflos und alleine wie in einem dunklen Raum gefühlt. Deswegen sei es wichtig, die Menschen aufzuklären, auch wenn sie in der Not bleiben, entscheiden zu müssen: „Die Organspende hat mir Trost verliehen vor dem unumkehrbaren und sinnlosen Tod.“

Von: Johannes Blöcher-Weil

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