Ein Jahr Talkshow-Pause? Das würde das deutsche Fernsehprogramm spürbar verändern, vergeht doch kein Tag, an dem nicht auf einem der öffentlich-rechtlichen Sender eine Talkshow läuft: „Anne Will“, „Maischberger“, „Maybritt Illner“, „Hart aber fair“ und andere. Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates Olaf Zimmermann forderte die Sender vergangene Woche auf, über eine Pause dieser Formate nachzudenken, um die Konzepte der Sendungen zu überprüfen.
Der Talk bei Sandra Maischberger am vergangenen Mittwoch zum Thema „Die Islamdebatte: Wo endet die Toleranz?“ gab für Zimmermanns Forderung den Ausschlag. „Gestern Abend wurde in der Talkrunde im Ersten allen Ernstes schwerpunktmäßig über das Händeschütteln als einen vermeintlichen Ausdruck deutscher Kultur debattiert. Ich finde, die Talkshows im Ersten und im ZDF sollten sich eine einjährige Auszeit nehmen und ihre Konzeptionen überarbeiten. Vielleicht wird die talkshowfreie Zeit der Integration in unserem Land nützlich sein?“
ARD-Chefredakteur: „Kritik so alt wie das Format“
Zimmermann kritisierte, dass sich die Polit-Talks zu oft mit Flüchtlingen und Islam beschäftigten. Er machte die Sendungen indirekt für die Polarisierung der Gesellschaft verantwortlich: „Mehr als 100 Talkshows im Ersten und im ZDF haben uns seit 2015 über die Themen Flüchtlinge und Islam informiert und dabei geholfen, die AfD bundestagsfähig zu machen. Die Spaltung der Gesellschaft hat seit 2015 deutlich zugenommen.“
ARD und ZDF wiesen die Kritik indes zurück. Rainald Becker, ARD-Chefredakteur sagte der Nachrichtenplattform t-online, die Kritik sei so alt wie das Format. Die Sendungen stünden nicht zur Debatte. „Die AfD beklagt sich, dass sie bei uns zu selten vorkommt. Andere Politiker sehen sie überrepräsentiert.“ Ein ZDF-Sprecher erklärte, die AfD sei im ZDF nicht nur zur Flüchtlingsthematik gefragt worden, sondern habe auch zu anderen Themen Stellung beziehen müssen.
Der Deutsche Kulturrat ist der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, ihm gehören unter anderem der Deutsche Musikrat, der Deutsche Kunstrat und der Deutsche Medienrat – Film, Rundfunk und Audiovisuelle Medien an.
Von: Jonathan Steinert