„Typisch Mädchen, typisch Junge – auch in Zukunft?!“: Im Fernsehmagazin „Erde an Zukunft“ beleuchtet Moderator Felix Seibert-Daiker am Samstag im Kinderkanal (KIKA), inwieweit Geschlechterstereotype sinnvoll sind. Die Sendung um 20 Uhr will die jungen Zuschauer auf niederschwellige, aber kritische Weise an das Thema heranführen. Gleich zu Beginn kommt die 9-jährige Ronja zu Wort. Sie stört es, dass Mädchen und Jungen oft in Schubladen gesteckt werden: Mit Jungen würden Attribute wie „stark“ und mit Mädchen „brav“ verbunden, Jungen dürften „Piraten“ spielen, Mädchen seien stets die „Prinzessinnen“. Diese eingeschränkte Perspektive kritisiert die junge Zuschauerin.
Dort hakt Moderator Seibert-Daiker ein und sagt: „Das Doofe an diesen Typisch-Junge-, Typisch-Mädchen-Rollen ist, dass manche Mädchen dann denken, sie dürfen einfach keine Piratin sein oder Jungen wie ich, die trauen sich dann nicht, Ballett zu tanzen. Dabei sollte doch jeder machen können, was er eigentlich möchte.“
Der Moderator beginnt, nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten der Geschlechter zu recherchieren. Die Anthropologin Doris Pany-Kucera zeigt ihm, wie sie an Skeletten erkennt, ob eine Person ein Mann oder eine Frau war. Beispielsweise gibt es im Knochengerüst im Becken bei Frauen eine größere Bogenöffnung; der Kinnknochen von Männern hat zwei Spitzen, der von Frauen hat nur eine Spitze in der Mitte.
Durch Gespräche mit einem Archäologen blickt er in die Vergangenheit und findet heraus, dass etwa Frauen früher in einem österreichischen Salzbergwerk körperlich schwer gearbeitet haben – und dass sie wohlhabend waren. Denn in ihren Gräbern in Hallstatt wurde das meiste Gold gefunden.
Der Moderator schlussfolgert daraus: „Dieses ,Jungs und Mädchen sind unterschiedlich, weil es schon immer so war‘, ist also falsch.“ Er geht kurz auf die biologischen Unterschiede ein: Frauen können Kinder bekommen, Männer nicht.
Moderator: Aus diesem Grund sind Mädchen schlechter in Mathe
Wissenschaftler hätten festgestellt: Mädchen sind häufige schlechter in Mathe und Jungen können häufig schlechter lesen. „Aber das liegt nur daran, weil man ihnen ständig sagt, dass sie schlecht darin sind“, erklärt Seibert-Daiker. Ein Forscher könnte ein Gehirn von einem Mädchen und einem Jungen nicht unterscheiden, meint der Moderator. Es gebe mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede.
Die Kindersendung erklärt zudem, dass Fähigkeiten auch durch einen sozialen Kontext beeinflusst werden. Sie ist im Verlauf leicht verständlich für das jüngere Publikum, prägnant und klar in ihrer Botschaft.
„Lass das Einhorn in dir raus“
Als sich der Moderator aber im Studio mit einer Computerstimme aus dem Off unterhält, wird es etwas wirr. Eine Apparatur ist aufgebaut. Seibert-Daiker steigt in diese „zukunftsweisende Erfindung“, die die Computerstimme aus dem Off „Geschlechterrolle“ nennt. „Mit etwas Schwung kannst du in Zukunft einfach mal aus der Rolle fallen“, wirbt die Computerstimme. In dem Gerät wird der Moderator gedreht und gewirbelt und taucht, als es zum Stillstand gekommen ist, „mit seiner weiblichen Seite wieder auf“ – in einem orangefarbenen Rock, mit roten Lippen, und mit einer türkisfarbenen Perücke und Wimpern. Er fühlt sich „gar nicht so schlecht“, erklärt der Moderator.
Dann wird er weiter gewirbelt und erscheint im Einhornkostüm. Der Moderator fragt, was das sei. Die Computerstimme antwortet: „Sieht man doch: Das ist das Einhorn, das in dir steckt. Lass es raus!“ Er fragt: „Ist das jetzt weiblich oder männlich?“ Darüber gebe es unterschiedliche Auffassungen, sagt die Off-Stimme. Als er wieder in Pullover und Jeans auftaucht und „zurückverwandelt“ ist, sagt er: „Puh, ich glaube, ich bin wieder ganz Felix.“ Der Computer antwortet: „Tss, du und deine festgefahrenen Ansichten.“
Kleine inhaltliche Unschärfen
Der Moderator zieht den Schluss: „Wenn man einmal begriffen hat, dass es eigentlich gar keinen Grund für dieses ,typisch‘ gibt, dann fällt es auch viel leichter, sich selbst nicht mehr so ernst zu nehmen.“ Er überlegt, dass er, wenn er früher Ballett für die Ausdauer und Körperbeherrschung gemacht hätte, vielleicht deutscher Karatemeister geworden wäre.
Diese Folge „Erde an Zukunft“ ist kurzweilig für junge Zuschauer. Sie widmet sich abwechslungsreich einem Thema, das Mädchen und Jungen bewegt und lässt auch Wissenschaftler zu Wort kommen. Ob es nötig ist, den Moderator beim Thema „Typisch Mädchen, typisch Junge“ in ein Einhorn zu verwandeln, ist fraglich. Das verwirrt den ein oder anderen Zuschauer wahrscheinlich eher, als dass es ihm weiterhilft – auch wenn es witzig rüberkommen soll. Darauf hätten die Macher verzichten können, das hätte die Sendung gar nicht gebraucht. Trotz kleiner inhaltlicher Unschärfen, die wahrscheinlich der Kürze des Magazins geschuldet sind, ist es ein interessantes Format für die ältere KIKA-Zielgruppe. Bei möglichen auftretenden Fragen zu den Inhalten der Sendung sollten Eltern ihren Kindern Antwort stehen.
„Erde an Zukunft – Typisch Mädchen, typisch Junge – auch in Zukunft?!“, 14. April, 20 Uhr, Kinderkanal
Von: Martina Blatt