Das „Digitale Entgiften“ findet im Zeitalter des mobilen Internets immer mehr Anhänger. Die Süddeutsche Zeitung (SZ) stellt fest: „Der Trend zum ‚Digital Detox‘ ist zwar nicht neu, erfährt dieser Tage aber eine zweite Karriere als mediales Genre.“ So hat sich etwa ein Autor der New York Times zwei Monate offline gestellt und kürzlich über seine Erfahrungen berichtet. Er mied das Internet und holte sich Informationen ausschließlich auf analoge Weise. „Das hat mein Leben verändert“, schrieb der Autor. Es sei gewesen, als ob Fesseln von ihm abgefallen seien. Auf dem Fernsehsender MTV laufe zudem mit „90‘s House“ eine Reality-Serie an, in dem die Bewohner des Hauses kein Internet und keine Smartphones haben dürfen, berichtet die SZ.
Heutiges Arbeitsleben schwierig ohne Internet
Nun widmet sich auch der SWR mit einer Sendung namens „Innehalten – Warum es sich lohnt abzuschalten“ dem Versuch, dem Digitalen zu entkommen. Eine 50-jährige Professorin an einer Dualen Hochschule in Baden Württemberg und eine 30-jährige Marketingchefin eines Luxushotels versuchen einen Monat lang, ihren Internet-Konsum einzuschränken. So dürfen sie in dieser Zeit nur an Wochentagen online sein und dann höchstens acht Stunden am Tag. Die beiden Teilnehmer führen Video-Tagebuch und berichten davon, wie es ihnen ergeht.
Mit einem Bibel-Zitat beginnt der SWR seinen Hinweis auf die Sendung. „Am siebten Tag sollst du ruhen“, stehe im Alten Testament. „Aber was bleibt von der Regel des arbeitsfreien Wochenendes oder des Achtstundentags in Zeiten der steigenden Arbeitsverdichtung und der permanenten digitalen Erreichbarkeit?“
Die Teilnehmerinnen des Experiments bekommen in der Eifel ein persönliches Coaching, wo sie lernen sollen, mit der Herausforderung fertig zu werden. Nach zwei Wochen besuchen sie ein Wochenende das Benediktinerkloster Neuburg bei Heidelberg. Sie sind eingeladen, mit den Mönchen fünf Mal am Tag zu beten. Internet ist selbstverständlich tabu. „Zwei Protestantinnen im Reich der Katholiken“, beschreibt die Sendung die Situation. „Für mich hat Glaube viel damit zu tun, ob ich mit mir selbst im Reinen bin“, sagt die 30-jährige Marketingchefin.
Interessanterweise ist es dann zunächst einmal der Job, der einer der beiden Teilnehmerinnen die meisten Sorgen bereitet, und nicht das Internet. So stellt die Marketingchefin fest: „Der Gedanke an die Arbeit macht mir emotional zu viel Druck, um wirklich abschalten zu können.“ Ihre Leidensgenossin erklärt: „Ich ziehe Facebook, Pinterest, WhatsApp & Co. anderen wirklich entspannungsfördernden Dingen vor und an Stelle von ,Kopf aus‘ heißt es tatsächlich ,Smartphone an‘.“ Sie lernt, dass Konflikte bei der Arbeit auch durch die Technik der E-Mail nicht unbedingt einfacher zu lösen sind. Im Privaten stellt sie unter anderem fest, dass sie sonst beim Essen fast immer digitale Geräte als Begleiter hat.
Auch für die Hochschulprofessorin stand in der Zeit der Digitalen Einschränkung das Arbeitsleben ohne Internet und die Vereinnahmung durch ihren Job im Vordergrund. Sie resümiert am Ende: „Ich glaube, dass ich es meinen Studierenden schuldig bin, das Arbeiten und Pausemachen vorzuleben.“ Sie stellt fest, dass sie viel Arbeit nachholen musste, die sie in der Zeit des Experiments nicht machen konnte. „Letztlich geht es darum, Medien so einzusetzen, dass sie nützlich sind und nicht das Leben bestimmen.“
„Innehalten – Warum es sich lohnt abzuschalten“, Mittwoch, 14. März 2018, 21 Uhr, SWR Fernsehen
Von: Jörn Schumacher