Reformation bei „Game of Thrones“

Auf den ersten Blick geht es in der bei vielen jungen Menschen beliebten US-Fantasy-Serie „Game of Thrones“ vor allem um Sex und Gewalt. Übersehen wird dabei häufig, dass die Geschichte in einer religiös geprägten Welt spielt. Die dominierende Religion dieser Fantasy-Welt ist ans Christentum angelehnt.
Von PRO
Im deutschen Fernsehen lief die aktuelle Serienstaffel „Game of Thrones“ im Juni auf dem Bezahlsender Sky
Das Gesicht des kleinwüchsigen Mannes ziert eine riesige Narbe. Tyrion Lannister (Peter Dinklage) hat sich den Schmiss in der Schlacht am Schwarzwasser zugezogen, als ihn die eigene Schwester ermorden lassen wollte. Seit dem Tod des Königs kämpfen im fiktiven Land Westeros zahlreiche Parteien um die Thronnachfolge. Sechs Staffeln lang eskaliert dieser Konflikt nun schon in der amerikanischen Fantasy-Serie „Game of Thrones“. Das Finale der fünften Staffel schauten allein in den USA über 20 Millionen Menschen. Die erste Episode der aktuellen Staffel ließ sich der amerikanische Präsident Barack Obama vorzeitig ins Weiße Haus schicken. Zu groß war seine Angst, im Trubel der Weltpolitik Handlungselemente im Internet verraten zu bekommen. Es sind zerrissene Figuren wie Tyrion Lannister, die den Zuschauer an die TV-Serie binden. Eine Serie, die ihre Popularität anfangs durch plumpe Oberflächenreize in freizügigen oder gewalttätigen Szenen erreicht hat. In einer Welt, die ihre Figuren erbarmungslos behandelt, ist aber die Hoffnung auf Erlösung die heimliche Triebfeder des Zuschauers. Tyrions Familie gehört zu den reichsten und mächtigsten Adelshäusern in Westeros. Er gilt allerdings als das schwarze Schaf. Bei seiner Geburt verstarb die Mutter, was ihm sein Vater nie verziehen hat. Die geringe Körpergröße brachte ihm Spottnamen ein. Am Hof wie in den Bierschänken reden die Menschen über ihn, als sei er eine üble Laune der Natur. Tyrions Waffen sind sein Verstand und seine Zunge. Er ist ein vielbelesener Meister des Wortes. Schon als Kind entschied er sich deshalb, das höchste geistliche Amt des Landes – Hoher Septon – anzustreben. Im Gotteshaus in der Hauptstadt Königsmund trägt dieser nämlich eine Kristallkrone, durch die Tyrion fast einen halben Meter an Körpergröße gewonnen hätte. Für den Erfinder von „Game of Thrones“, George R. R. Martin, einen weißbärtigen Amerikaner mit Schirmmütze, spielte bei der Erschaffung seiner Fantasy-Welt die Religion keine untergeordnete Rolle. Der 67-jährige Autor der Buchvorlage („Das Lied von Eis und Feuer“) distanziert sich damit bewusst von seinem Vorbild J. R. R. Tolkien („Der Herr der Ringe“). „Bei Tolkien gibt es keine Priester oder Tempel, niemand glaubt an etwas“, stellt Martin fest. Er bestand in seinem Universum, das grob an die Epoche des europäischen Mittelalters erinnert, darauf, dass deren Bewohner unterschiedlichen Religionen anhängen. In seinen Augen seien diese wichtig für die Menschen und machten die eigene Fantasy-Welt realistischer. Seine Eltern haben ihn katholisch erzogen. Die seit vielen Jahrhunderten dominierende Religion in Westeros, den Glauben an die Sieben, hat Martin deshalb stärker an den Katholizismus angelehnt.

Inspiriert von der Dreieinigkeit

Der so bezeichnete Glaube an die Sieben ist eigentlich das Glaubensbekenntnis an den einen wahren Gott, der sich bei Martin allerdings in sieben Aspekten ausdrückt. Es gibt drei männliche Aspekte: Vater, Krieger und Schmied. Mutter, Jungfrau und altes Weib sind die drei weiblichen Aspekte. Als siebte Facette gibt es den Fremden, der weder männlich noch weiblich ist. Er repräsentiert das Unbekannte und den Tod. Die Menschen in Westeros beten je nach Lage zu den unterschiedlichen Repräsentanten des einen Gottes. Schwangere beten zur Mutter für eine problemlose Geburt, Soldaten beten zum Krieger, der ihnen Mut in der Schlacht verleihen soll. Die Dreieinigkeit des christlichen Glaubens stellte Martins Hauptinspiration bei der Kreation des Glaubens an die Sieben dar. Genau genommen war es seine Verwirrung als Kind, nicht nachvollziehen zu können, warum Vater, Sohn und Heiliger Geist nicht drei Götter, sondern nur Aspekte des einen Gottes sind. Die Gottesdienste dieser Religion werden in kirchenähnlichen Gebäuden, sogenannten Septen, abgehalten, die einen sieben-eckigen Grundriss besitzen. Haben die Gläubigen keine Septe in der Nähe, beten sie in Gruppen darum, dass sie in die sieben Himmel kommen und vor den sieben Höllen verschont bleiben. Die Heilige Schrift dieser Religion ist der „siebenzackige Stern“, der gleichzeitig als Erkennungszeichen der Anhänger dient. Im Gegensatz zum Katholizismus gibt es im Glauben an die Sieben auch hohe weibliche Geistliche: Die Septas können Orden vorstehen und predigen. Allerdings kennen die Zuschauer der TV-Serie sie vornehmlich als Erzieherinnen am Hofe der Adeligen. Der nonnengleiche Orden der Schweigenden Schwestern kümmert sich wiederum um das Bestatten der Verstorbenen. Sie stehen im lebenslangen Dienst von Gott, dem sie Keuschheit und Schweigsamkeit geschworen haben. In Martins Büchern heißt es, sie seien mit Gott vermählt. Bezüge des Glaubens an die Sieben zum Christentum reichen bis zu den Ursprüngen der religiösen Überlieferungen. Als eine motivische Verknüpfung von Genesis und Jesus liest sich etwa der Ur-Mythos des „siebenzackigen Sterns“: Dem Glauben nach sind die sieben Persönlichkeiten Gottes einst selbst in menschlicher Gestalt auf der Erde gewandelt, nachdem der Vater seine Hand in den Himmel ausstreckte, um sieben Sterne auf der Erde zu verteilen.

Reformation in Westeros

Der Hohe Septon, der sein Amt in der Großen Septe von Baleor in der Hauptstadt ausübt, krönt den König von Westeros, der auf dem Eisernen Thron Platz nimmt. Der Legende nach ist der Thron aus Tausenden von Schwertern mit Drachenfeuer geschmiedet worden. In den Kriegswirren der Thronnachfolge leidet die Zivilbevölkerung in Westeros schrecklich. Hunger, Gewalt und Verbrechen werden durch die chaotischen Zustände noch begünstigt. Im Verlauf der sechs Serienstaffeln haben das Amt des Hohen Septon ausschließlich inkompetente Marionetten bekleidet, die auf den eigenen Vorteil bedacht waren. Doch es keimt Widerstand: „Der Spatz ist der ärmste und gewöhnlichste Vogel, und wir sind die ärmsten und gewöhnlichsten Menschen“, sagt ein Mann mit schmutzigen Füßen und Lumpenkleidung, der sich selbst in Anlehnung an das oberste Kirchenamt der Hohe Spatz (Jonathan Pryce) nennt. Im Schlepptau hat er junge, wütende Männer, seine Spatzen, die sich den siebenzackigen Stern in die Körper geritzt haben und Waffen tragen. Zu Tausenden strömen sie in die Hauptstadt und zetteln einen politischen und religiösen Umsturz an. „Wenn man sich die Kirchengeschichte im Mittelalter betrachtet, gab es Zeiten, in denen es sehr korrupte Päpste und Bischöfe gab“, sagte Martin der Zeitschrift Entertainment Weekly. Diese Menschen seien keine Geistlichen, sondern Politiker gewesen, die ihr eigenes „Spiel der Throne“ abhielten. Allerdings habe es auch Zeiten der Wiederbelebung der Religion gegeben: „Die bedeutendste war da sicherlich die protestantische Reformation.“ Die Spatzen sind Martins Version einer militanten und aggressiven protestantischen Reformationsbewegung. Der Hohe Spatz trägt durchaus charismatische Züge. Er vertreibt Korruption und Bigotterie aus der Hauptstadt, indem er den Hohen Septon stürzt und Gerichtsprozesse gegen den dekadenten Adel führt. Die Kristallkrone des Septon verkauft er, um Essen für die Bedürftigen zu haben. Einfache Verhältnisse prägten ihn: Als Sohn eines Schumachers kämpfte er für den sozialen Aufstieg. Bis er eines Tages beim Anblick seiner Freunde nach einer durchzechten Nacht Erleuchtung erfuhr und Prediger wurde. Aber es wäre nicht das Universum von George R. R. Martin, wenn der Revolution des Hohen Spatzes nicht auch etwas zutiefst Beunruhigendes anhaften würde. Seine Spatzen sehen mit ihren grimmigen Gesichtern, den Tätowierungen und den grobschlächtigen Waffen wie Fanatiker aus. Martin ist bei der Figurenzeichnung seiner Protagonisten stets ein Freund der Grautöne, was allerdings das Weiterleben des Hohen Spatzes in der nächsten Staffel begünstigen könnte. Denn durchweg sympathische Figuren, die dem Zuschauer ans Herz wachsen, verlieren in Martins Fantasy-Welt nur allzu schnell den Kopf. Das gilt auch für den kleinwüchsigen Tyrion Lannister. Von der geistlichen Karriere hat er dann doch Abstand genommen, um sich ausgiebig in die Völlerei zu flüchten. Trotzdem gehört er zu den Zuschauerlieblingen der Serie, denen hoffentlich ein erlösendes Ende beschieden ist. (pro)

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe 3/2016 des Christlichen Medienmagazins pro. Bestellen Sie pro kostenlos unter der Telefonnummer 06441/915151, via E-Mail an info@pro-medienmagazin.de oder online.

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