Der ZDF-Moderator Jan Böhmermann zeigt sich überzeugt: Aussagen in Fäkalsprache über die Sexualität und das Geschlechtsteil des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan seien Teil einer guten Satire. Gegenüber der Wochenzeitung Die Zeit hat sich der Moderator erstmals ausführlich zu seinem „Schmähgedicht“ und den Reaktionen darauf geäußert.
Von PRO
Foto: Ben Knabe
Nun hat sich der ZDF-Moderator Jan Böhmermann in einem Interview zum umstrittenen „Schmähgedicht“ geäußert
Am 31. März 2016 hatte Jan Böhmermann in seiner Fernsehsendung „Neo Magazin Royale“ ein Gedicht mit dem Titel „Schmähkritik“ über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan vorgetragen. Er kündigte den Beitrag mit den Worten an: „Was jetzt kommt, das darf man nicht machen.“ Das Gedicht geht hauptsächlich auf die sexuellen Präferenzen Erdoğans und sein Geschlechtsteil ein und versucht, ihn zu beleidigen.
Bisher schwieg Böhmermann, jetzt gab er der Wochenzeitung Die Zeit ein schriftliches Interview. Die vergangenen Wochen seien für ihn „ein wenig turbulent“ gewesen, schreibt Böhmermann. Er findet nicht, dass die Beleidigungen gegenüber dem türkischen Staatspräsidenten unangemessen waren. „Künstlerisch war unser humoristisches Proseminar Schmähkritik ein unglaublicher Erfolg.“ Es habe „viele überfällige Diskussionen ausgelöst“.
„Glaube an Recht auf Meinungsäußerung erschüttert“
Für ihn sei das Gedicht der Versuch gewesen, „zu erklären, was eine freiheitliche und offene Demokratie von einer autoritären, repressiven Defacto-Autokratie unterscheidet, die sich nicht um Kunst- und Meinungsfreiheit schert“. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ihn nicht unterstützt habe, habe offenbar nicht über sein „Witzgedicht“ nachgedacht. Merkel hatte das Gedicht durch ihren Regierungssprecher als „bewusst verletzend“ bezeichnet, dies aber später öffentlich bereut.
Es gebe „im Moment in anderen Ländern, gerade auch in der Türkei, viele Kollegen, die mit deutlich härteren Konsequenzen ihrer künstlerischen oder journalistischen Arbeit zu kämpfen haben“. Böhmermann fügt hinzu: „Wenn ich als ZDF-Quatschvogel nun mit dafür gesorgt habe, dass da genauer hingeschaut wird, ist das doch kein Grund für Selbstmitleid.“
Böhmermann sagte der Grimme-Preisverleihung am 8. April ab mit den Worten: „Ich fühle mich erschüttert in allem, an das ich je geglaubt habe.“ Auf die Frage, woran er geglaubt habe, antwortet der Moderator: „Daran, dass jeder Mensch in Deutschland ein unverhandelbares, unveräußerliches Recht auf gewisse Grundrechte hat: die Freiheit der Kunst und die freie Meinungsäußerung.“
Auf die Frage, ob das Gedicht eine „juristische Grenzauslotung“ sein sollte, antwortet Böhmermann: „Vollkommen korrekt.“ Weiter sagt er: „Ich habe einen rumpeligen, aber komplexen Witz gemacht, mehr isses ja nicht. Und jetzt wird eben im Namen des Volkes verhandelt: Witz gegen Bundesregierung. Ich bin gespannt, wer zuletzt lacht.“ Der deutsche Rechtsstaat werde sich seiner „kühl und gerecht annehmen“, da sei er „voller Zuversicht“. Am 12. Mai 2016 werde es wieder eine neue Ausgabe der Sendung „Neo Magazin Royale“ in ZDFneo und im ZDF geben, kündigte der Moderator an.
In Böhmermanns umstrittenem Gedicht heißt es, Erdoğan sei „sackdoof“ und feige. Der Satiriker macht sich zudem in Fäkalsprache über die Sexualität und das Geschlechtsteil des türkischen Präsidenten sowie dessen Geruch lustig. Der Satiriker wirft dem Staatsmann vor, „Kinderpornos [zu] schauen“. Das ZDF entfernte den Beitrag einen Tag nach der Erstausstrahlung aus seiner Mediathek. Die Staatsanwaltschaft Mainz eröffnete ein Ermittlungsverfahren gegen Böhmermann aufgrund des Verdachts der Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten. Die türkische Regierung forderte eine Strafverfolgung gegen den Moderator. Anlass für das Gedicht war ein Spottlied der NDR-Sendung „extra 3“ vom 17. März 2016. Das Lied thematisiert satirisch die Missachtung der Presse- und Meinungsfreiheit Erdoğans in der Türkei. (pro)
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