Der NDR-Reporter Christian Deker hat in seinem Beitrag „Die Schwulenheiler 2“ Menschen getroffen, die wegen ihrer Homosexualität Ablehnung in der Kirche erfahren haben. Mit seinem Beitrag knüpft er an ein eigenes älteres Fernsehstück an, bietet aber wenig neue Erkenntnisse.
Ein schwules Pärchen schaut sich eine „Pride Parade“ an
Der Reporter Christian Deker sagt über sich, dass er selbst schwul ist. Bereits vergangenes Jahr widmete sich der Journalist in einem Beitrag für die NDR-Sendung „Panorama“ den Fragen „Warum halten mich Menschen für krank?“ und „Ist Homosexualität heilbar?“. In dem Beitrag von 2014 traf er den Hamburger Arzt Arne Elsen. Deker gab vor, sich von ihm wegen seiner Homosexualität behandeln lassen zu wollen. Die Behandlung bestand darin, dass Elsen seinem Patienten den „Geist der Homosexualität“ mit Gebet und Handauflegung austrieb. Danach „versiegelte“ er die möglichen Eintrittsstellen mit Öl. Diese mit versteckter Kamera gefilmten Szenen dürfen seit Herbst 2014 nicht mehr gezeigt werden. Der Arzt hatte eine Einstweilige Verfügung gegen die NDR-Sendung erwirkt.
In seinem neuen Beitrag „Die Schwulenheiler 2“ zeigte der Reporter am Dienstagabend Szenen aus seinem alten Fernsehstück, er traf sich aber auch mit Betroffenen, einem Sexualforscher sowie mit christlichen Vertretern etwa aus der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Deutschen Evangelischen Allianz.
Deker lässt sich die Geschichte von Bastian Melcher erzählen. Melcher ist schwul und war Mitglied der „Freien Christengemeinde Bremen“. Als Melcher in der Gemeinde erzählte, dass er sich in einen Mann verliebt habe, habe für ihn ein Leidensweg begonnen. Er sei nicht mehr in der Gemeinde akzeptiert worden und kämpfte schließlich mit Selbstmordgedanken. Aus der Gemeinde habe er den Rat bekommen, sich an den Arzt Elsen zu wenden, und er nahm schließlich 2010 und 2011 Termine bei ihm wahr. Der Arzt habe für seine Befreiung von der Homosexualität gebetet und Melcher gesagt, dass seine Homosexualität die Ursache für seine Dämonen und damit auch für sein Rückenleiden sei. Fragen dazu wolle der Arzt Elsen dem Reporter nicht beantworten, ließ er über seinen Anwalt ausrichten.
Der Pastor der „Freien Christengemeinde Bremen“ antwortete auf Dekers Anfrage schriftlich, dass Gebet in jedem Lebensbereich Veränderung bewirken könne. Zudem schrieb der Geistliche, dass Menschen in seiner Kirche auch bei gelebter Homosexualität herzlich willkommen seien. Deker schließt diesen ersten Teil seines Beitrags mit den Worten: „Bittere Befunde aus der Welt radikaler evangelischer Freikirchen.“
EKD: „Mehrheitsmeinung, dass Homosexualität Prägung ist, kein Krankheitszustand“
Der NDR-Reporter fragte auch nach der Meinung der EKD zu Homosexualität. Der Vizepräsident des Kirchenamtes der EKD, Friedrich Hauschildt, sagt im Beitrag dazu: „Nach meiner Einschätzung ist die deutliche Mehrheitsmeinung inzwischen der Ansicht und festen Überzeugung, dass Homosexualität eine Prägung ist, die kein Krankheitszustand ist und die nicht therapiert werden soll.“ Der Reporter weist darauf hin, es gebe in der EKD aber auch heute noch Menschen, „die Homosexualität für Sünde oder therapierbar halten“. Hauschildt erklärt: „Es macht keinen Sinn, bestimmte Gruppen, Homosexuelle oder die, die Homosexuelle verurteilen, jeweils zu verurteilen. Das ist nicht die Aufgabe der Kirche.“
So besuchte der Reporter auch Gero Cochlovius, Pfarrer der Kirchgemeinde in Hohnhorst bei Hannover. Er hatte 2005 in einer Predigt darüber gesprochen, dass es die Möglichkeit gibt, „auf biblischer Grundlage echte seelsorgerliche Hilfe zur Heilung anzubieten“. Cochlovius sagt im Interview: „Ich finde, dass man dieses Angebot durchaus machen sollte, denn ich weiß, es gibt einzelne, die auch an ihrer Situation leiden und die sich tatsächlich auch eine Veränderung wünschen.“ Deker konfrontiert den Pfarrer damit, dass er predige, dass Homosexualität Sünde sei. Cochlovius sagt dazu: „Es gibt viele Sünden. Nach der Bibel ist es schon so, dass praktizierte, ausgelebte Homosexualität nicht dem Willen Gottes entspricht.“ Es gebe Studien, die besagen, dass ein Homosexueller heterosexuell werden kann. Führende Wissenschafter hielten diese für unseriös, sagt Deker in seinem Beitrag.
Der Sexualwissenschafter und Psychiater vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Peer Briken, sagt im Interview, „dass es sich bei Homosexualität um eine Variante der Natur handelt, an der man nichts verändern muss, und wenn es zu Problembereichen kommt, dann wäre die Kirche sicherlich auch in der Pflicht hier zu helfen, und zwar nicht in dem Sinne, dass sie etwas versucht zu verändern oder einzureden, dass das Sünde ist“. Der Versuch, seine sexuelle Orientierung zu verändern, könne „suizidale Krisen“ hervorrufen, „[…] vor dem Hintergrund einer depressiven Symptomatik, die verbunden ist mit Schamgefühlen, mit Schuldgefühlen, mit Ängstlichkeit, aber auch mit Freudlosigkeit und mit dem Gefühl, auf der Welt nicht richtig zu sein“. Konkrete wissenschaftliche Studien oder Zahlen führt der Reporter im Beitrag nicht an.
Das „Deutsche Institut für Jugend und Gesellschaft“, das zu der „Offensive Junger Christen“ gehört, schreibt auf seiner Internetseite, dass Homosexuelle eine Chance zur Veränderung hätten. Da ihm auf Nachfrage kein Verantwortlicher ein Interview habe geben wolle, machte sich Deker früh morgens im Auto auf den Weg zum Morgengebet der „Offensive Junger Christen“. Im Beitrag wird eine dunkle Straße gezeigt, Nebel steigt über den Bäumen auf und im Off-Text sagt der Reporter zu dramatischer Musik: „Es ist bemerkenswert. Kaum jemand, der Homosexualität für Sünde hält, möchte darüber vor der Kamera reden. Immer wieder Schweigen, Absagen, Menschen, die mit ihrer Meinung offenbar lieber im Dunkeln bleiben wollen.“
Deker spricht schließlich doch mit dem Vorsitzenden der „Offensive Junger Christen“, Konstantin Mascher, darüber, ob eine Veränderung von Homosexualität hin zu Heterosexualität möglich und schädlich ist. Mascher sagt, dass es unterschiedliche Auffassungen gebe. „Unsere Erfahrung ist die, dass doch Menschen Veränderung erleben und das auch eine Realität ist. Der wissenschaftliche Diskurs ist ja noch nicht abgeschlossen zu der Frage.“ Im Off-Text antwortet Deker: „Dabei ist die Wissenschaft an dieser Stelle sehr klar. Homosexuelle kann man nicht umpolen, genauso wenig wie übrigens Heterosexuelle.“
Deker traf sich auch mit dem Vorsitzenden der Deutschen Evangelischen Allianz, Michael Diener. In einem Bericht des Gnadauer Gemeinschaftsverbandes forderte Diener dazu auf, für eine Veränderung von Homosexuellen zu werben, heißt es im Beitrag. Diener betont, dies solle liebevoll geschehen. „Dieser Satz sagt: Öffnet euch für das Gespräch, bringt eure Meinung in das Gespräch ein, aber werbend, nicht fordernd, nicht zwingend.“ Diener sieht sich „in Schrift und Gewissen […] gebunden. Und ich weiß, dass in dieser Frage ich selbst nicht die Möglichkeit und die Freiheit habe, homosexuelle Beziehungen zu segnen oder zu begleiten.“ Nach seiner persönlichen Überzeugung sei aber prägend geworden, „dass ich weiß, die Veränderung muss von Gott her kommen, sie muss vom Menschen gewollt sein, er muss sie innerlich selbst anstreben“.
„Es macht keinen Sinn, bestimmte Gruppen zu verurteilen“
Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm antwortet auf die Frage „Verurteilen Sie Gemeinden und Gemeinschaften, die Homosexualität als Sünde sehen?“ mit den Worten: „Für mich ist nach wie vor zentral das Leitbild Ehe, aber ich glaube, dass wir dieses Leitbild Ehe nicht dadurch stärken, dass wir homosexuelle Lebensgemeinschaften abwerten, sondern es sollen die gleichen Maßstäbe der Verbindlichkeit, des Zusammenlebens, des lebenslangen Zusammenlebens, die in der Ehe gelten, eben für alle Lebensgemeinschaften, auch für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften gelten.“
Dekers Fazit am Ende des Beitrags lautet: „Solange es Menschen gibt, die das Leben von Homosexuellen wie mir als Fehler bezeichnen, wird es auch Menschen geben, die gefährliche Therapien anbieten. Höchste Zeit also für die Kirche, ihren Kurs zu ändern.“ (pro)
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