Trotz Aufklärung und Naturwissenschaft gibt es in der Gesellschaft eine „Sehnsucht nach einer anderen Welt, die Ahnung, dass es mehr gibt als das, was wir sehen und anfassen können“. Das sagte Claudia Becker, Redakteurin bei der Tageszeitung Die Welt, auf einer Diskussionsveranstaltung beim Kongress Dynamissio in Berlin. Deshalb sei es kein Zufall, dass Filme und TV-Serien Erfolg hätten, in denen es um Übersinnliches gehe – etwa die Fantasy-Serie „Game of Thrones“, sagte die promovierte Historikerin.
Die Menschen hätten „so viele Fragen, so viele Sehnsüchte“. Allerdings seien derzeit gerade die großen Kirchen nur bedingt in der Lage, ihrerseits gute Antworten zu bieten. Deshalb kehrten ihnen viele Menschen in Deutschland den Rücken. Im Jahr 2014 hätten 270.000 Mitglieder die evangelische Kirche verlassen, bei der katholischen Kirche seien es 218.000 gewesen. Wie ausgeprägt die Auseinandersetzung mit „existentiellen und religiösen Fragen“ in der Gesellschaft sei, zeige die im vergangenen Jahr erhobene Sinus-Jugendstudie. Die offenbare, dass viele der 14- bis 17-Jährigen sich intensiv mit Fragen der Gerechtigkeit und moralischen Grundsätze beschäftigten – unabhängig von der Religionszugehörigkeit.
Religiöse Skandale und Islam sind Medienthemen
„Die aktuelle Berichterstattung ist in der Regel weit davon entfernt, ein religionsfreundliches Bild zu zeichnen“, erklärte Becker. Medien seien keine Kirchen, sondern zu einer ausgewogenen und kritischen Berichterstattung verpflichtet. Vor allem werde in den Medien über religiöse Themen berichtet, wenn es sich um einen Skandal handle.
Die Journalistin stellte fest, dass der Islam in den Medien auf eine „Angst schürende“ Weise vorkomme. Das Thema stoße nicht nur auf großes Interesse, wenn in Namen dieser Religion terroristische Anschläge verübt würden, sondern auch dann, wenn der Eindruck entstehe, dass der muslimische Glaube in irgendeiner Weise das europäische Wertesystem beeinflussen könnte.
Journalismus als Waffe gegen Ungerechtigkeit
Becker forderte: „Es ist höchste Zeit für einen Journalismus, der dem Glauben ein besseres ‚Image‘ verschafft und Leser, Hörer und Zuschauer dort abholt, wo ihre ganz persönliche Religiosität ist.“ Das Leitmotiv jedes Journalisten sollte sein, „denen eine Stimme zu verleihen, die im Schatten stehen, im sozialen Abseits, die sich nicht wehren können gegen Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Gewalt“. Christlicher Journalismus müsse nach Beckers Auffassung „Mut zur Wahrhaftigkeit haben, zum unbequemen Denken, zur Meinung gegen den Mainstream“.
Der Kongress Dynamissio hat das Ziel, Gemeinden und Gemeindemitarbeiter in ihrer missionarischen Arbeit zu stärken, insbesondere mit Blick auf das Reformationsjubiläumsjahr 2017. An der Organisation beteiligt sind landes- und freikirchliche Akteure, unter anderem die Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste, die Deutsche Evangelische Allianz, der Evangelische Gnadauer Gemeinschaftsverband und der Bund freikirchlicher Pfingstgemeinden. Dazu sind laut Veranstaltern rund 2.300 Teilnehmer angereist. (pro)
Von: nob