Unter dem Motto „Lebendig und kräftig und schärfer“ beginnt am Mittwochabend in Köln der 31. Deutsche Evangelische Kirchentag. Das Motto ist angelehnt an einen Vers aus dem Hebräerbrief, Kapitel 4, Vers 12: „Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.“ Hunderttausende Besucher werden zum Kirchentag erwartet, der bis Sonntag mit rund 3.000 Veranstaltungen und Angeboten stattfindet.
Um das „Wort Gottes“ geht es auch in dem Beitrag, den die Theologen Barth und Kähler in der heutigen Ausgabe der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ publizieren. Sie wenden sich mit scharfen Worten gegen die „Bibel in gerechter Sprache“, deren Gebrauch im Gottesdienst sie aus vielen Gründen nicht empfehlen.
Wenn der „Vater“ zum Problem wird
Kriterien für die „Bibel in gerechter Sprache“ sollen „geschlechtergerechte Sprache“, „soziale Gerechtigkeit“ und „Gerechtigkeit im Hinblick auf den jüdisch- christlichen Dialog“ sein. Wenn man hier überhaupt von Gerechtigkeit sprechen wolle, dann in dem Sinne, dass eine Übersetzung dem Text gerecht werden müsse, schreiben Barth und Kähler in ihrem Beitrag für die „F.A.Z.“. Die Übersetzung nehme aber etwa die Gottesbezeichnung „Vater“ „ausschließlich als Problem wahr“. Dabei gehöre es zu den theologischen Grundsätzen, dass Gott „jenseits der Geschlechterpolarität“ stehe.
„Was hat es mit Gerechtigkeit zu tun, wenn der Versuch unternommen wird, durch Eingriffe in einen historischen Text der Fehlentwicklung zu wehren, dass er antijüdisch und damit verzerrt gelesen werden kann?“ Die „Bibel in gerechter Sprache“ eigne sich „auf weite Strecken auch gar nicht zum Gebrauch im Gottesdienst“.
Leitmotiv: „Bibel stammt aus einer patriarchalen Welt“
Die Übersetzung lasse sich etwa von der Voraussetzung leiten, dass „die Bibel aus einer patriarchalen Welt“ stamme und männliche Sprachformen auch dort gebrauche, wo neben Männern auch Frauen gemeint seien, heißt es in dem Beitrag. Darum sei „eine rein philologisch korrekte Wiedergabe“ nicht zwingend „auch die sachlich richtige“. Vielmehr sei es „notwendig, jedes Mal auf der Grundlage sozialgeschichtlicher Forschungen zu fragen, ob eine männliche Bezeichnung auch Frauen umschließt“, und – wenn ja – diese unsichtbar gemachten Frauen in den biblischen Text einzutragen.
„Diese Konzeption führt nicht nur in zahlreiche sozialgeschichtliche und exegetische Kontroversen – nach dem Muster: Ist es sachgemäß, in scheinbarer Gleichordnung von ‚Hirtinnen und Hirten‘, ‚Pharisäerinnen und Pharisäern‘, ‚Apostelinnen und Aposteln‘ zu sprechen? Sie tendiert auch zu einer schematischen, text- und sinnwidrigen Anwendung“, so Barth und Kähler. Dies sei zum Beispiel der Fall in Markus 6,30. „Mit den ‚Aposteln‘ sind hier ‚die Zwölf‘ (6,7-12) gemeint; bei der Schaffung des Zwölferkreises werden die Zwölf aufgezählt (3,13-19), und es sind nur Männer. Darum ist es gänzlich unbegründet, in Markus 6,30 die Angabe ‚Apostelinnen und‘ gegen den Urtext hinzuzufügen.“
Gott wird zu einer undeutlichen und unfassbaren Größe
Kritisiert wird auch der Umgang mit den Namen und Bezeichnungen Gottes, von der „Bibel in gerechter Sprache“ würden hier „folgenreiche Vorentscheidungen“ getroffen. „Sie zielen darauf, ‚Gott nicht einseitig mit grammatisch männlichen Bezeichnungen zu benennen‘, bedeuten den Bruch mit der Tradition, die ‚den biblischen Namen Gottes mit ,Herr‘ wiedergibt‘, und schließen das Bekenntnis zu der Überzeugung ein, ‚Gottes Name‘ sei ‚unübersetzbar‘, ja, Gott übersteige ‚die Möglichkeiten der Sprache‘ so sehr, dass jedes menschliche Reden über Gott und zu Gott ‚ein immer wieder neuer Versuch der Annäherung‘ sei und vorzugsweise eine Vielfalt von Namen und Bezeichnungen gebrauche.“ Da die vertrauten Anreden Gottes wie „Herr“ oder „Vater“ gemieden würden, trage die „Bibel in gerechter Sprache“ dazu bei, dass Gott für die Menschen zu einer „undeutlichen und unfassbaren Größe“ werde.