Martin Luther hätte seine Freude an ihm

Die BR-Serie „Himmel, Herrgott, Sakrament“ handelt von einem ungewöhnlichen katholischen Pfarrer. Im Interview mit PRO versichert Pfarrer Rainer Maria Schießler, auf dessen Buch sie beruht, dass er genau in der richtigen Kirche ist.
Von Jörn Schumacher
Pfarrer Hans Reiser hier mit der alleinerziehenden Mutter Lisa Kirchberger

Die Serie „Himmel, Herrgott, Sakrament“ wird seit dem 27. Oktober in Doppelfolgen an drei aufeinander folgenden Freitagen jeweils ab 20.15 Uhr im BR Fernsehen gezeigt. Außerdem ist sie in der ARD Mediathek abrufbar. Regie führte Franz Xaver Bogner, der bereits bekannte bayerische Serien wie „Irgendwie und Sowieso“, „München 7“ und „Café Meineid“ drehte. Angelehnt ist die Serie an das Buch des bekannten Münchner Pfarrers Rainer Maria Schießler, der wegen seiner unkonventionellen und medienwirksamen Aktionen in Bayern und darüber hinaus bekannt ist.

Der leidenschaftliche Motorradfahrer segnet in seiner Gemeinde die Maschinen der Väter und die Bobby-Cars der Kinder, an Heiligabend feiert er den Geburtstag Jesu mit einer Party mit DJ und schenkt Sekt aus. Er segnet Tiere und homosexuelle Paare, und er lebt seit 30 Jahren mit einer Frau in einer Partnerschaft zusammen. Seine eigene Talkshow „Pfarrer Schießler“ wurde von 2012 bis 2015 im BR Fernsehen ausgestrahlt. In der Fernsehserie „München Grill“ von Bogner spielte Schießler sich selbst. Seit 2020 produziert das Münchner Kirchenradio mit ihm einen Podcast namens „Schießlers Woche – Hier spricht der Pfarrer“.

In der neuen BR-Serie übernimmt Hans Reiser nach glücklichen Jahren als Pfarrer auf dem Land eine Gemeinde in München. In seiner Kirche herrscht gähnende Leere, Kirchenaustritte sind an der Tagesordnung. Reiser will das so nicht akzeptieren: Ob Freibier beim Kirchenfest, Papageien und andere Tiere im Gottesdienst oder die Kanzel als Plattform für junge Umweltaktivisten – mit seinen unkonventionellen Aktionen weckt Reiser alsbald zunehmendes Interesse in seiner Gemeinde. Er freundet sich mit einer alleinerziehenden Mutter an, und ihm gelingt es, die Kirche immer mehr mit Leben zu füllen.

Schon in der ersten Folge legt sich Reiser nicht nur mit der Polizei an, sondern auch mit der Stadträtin. Denn bei der Taufe ihres Enkels entfährt dem Pfarrer doch glatt ein grantiges „Himmel, Herrgott, Sakrament!“ – der Titel von Buch und Serie. Das sei kein Fluch, erklärt der aufgeweckte Pfarrer. „Das sind die drei wichtigsten Dinge unserer Religion!“ Die Serie lebt nicht nur von hervorragenden Schauspielern, sondern ist noch dazu herzerfrischend, witzig und hat zudem Tiefgang, weil sie ganz nebenbei die frohe Botschaft vom Glauben im Gepäck hat. Es wird klar: Reiser ist sein Job als Pfarrer nicht egal; er geht die Sache nur anders an. Sein Rezept: Es so machen, wie er es für richtig hält.

Pfarrer Rainer Maria Schießler macht seine Arbeit gerne mitten im Leben: bei Menschen und Tieren Foto: Bayerischer Rundfunk
Pfarrer Rainer Maria Schießler macht seine Arbeit gerne mitten im Leben: bei Menschen und Tieren. Mit PRO hat er über die neue BR-Serie gesprochen, in der auch viele biographische Aspekte von ihm vorkommen (Foto: Bayerischer Rundfunk)


PRO: Wie biografisch ist die Serie?

Rainer Maria Schießler: Das Buch ist eine Art Biografie, aber die Serie ist nicht biografisch. Regisseur Franz Xaver Bogner ging es um den Typus dieses Menschen, der in der Kirche unterwegs ist. Er bedient sich dabei meines Buches, indem er exemplarisch Muster daraus entnimmt. Ein Beispiel ist das Chrisamöl bei der Taufe: Ich nehme davon immer gerne sehr viel in die Hand, so wie Pfarrer Reiser in der Serie. Und auch ich übernehme nicht das klassische Bild eines katholischen Priesters. Es herrscht eine Vorstellung davon vor, wie Priester heute leben sollen, vereinsamt in einer Dienstwohnung. Der Zölibat wird gleichgesetzt mit völliger sozialer Vereinsamung. Ich selbst lebe seit 30 Jahren in Partnerschaft mit einer Frau. Solche Muster übernahm Bogner für die Serie. Ein anderes Beispiel sind meine ‚Viecherlmessen‘ (Segnungsgottesdienste für Tiere einmal im Jahr; d. Red.), die über die Grenzen Münchens hinaus bekannt geworden sind. Damals war das ein Aufreger, heute ist es wegweisend geworden. Das freut mich natürlich. Es geht in der Serie auch darum, dass ich selbst nie wegen meiner Priesterweihe über den Menschen stehen würde; ich war immer auf Augenhöhe mit ihnen. Ich habe gerne experimentiert. Und damit bin ich noch lange nicht fertig. Es gibt immer noch neue Wege zu entdecken, über die man die Menschen erreichen kann.

Pfarrer Reiser achtet weniger auf die Regeln der Kirche, sondern mehr auf sein Herz …

… aber nicht, weil er die Regeln brechen möchte aus sportlichem Ehrgeiz! Ein Beispiel: Zwei homosexuelle Männer oder zwei geschiedene Menschen kommen zu mir und bitten um den Segen. Die Regeln der Kirche besagen, dass das nicht geht! Das Herz sagt aber: Ich schicke euch nicht weg. Wir sind da aber auf einem guten Weg. In einem Interview sagte mein Kardinal (Reinhard Marx, d. Red.) neulich: Wir segnen nicht Schwule, sondern Menschen, die sich lieben. Auf die Frage, ob er das auch selbst tun würde, sagte er: ‚Ich segne jeden, der sich liebt.‘ Er fügte den prophetischen Satz hinzu: ‚Es gibt Menschen, die die Sakramente nicht empfangen können – jetzt.‘ Sprich: Da gibt es eine Zukunft. Und diesen Weg beschreiten wir. Da muss die Kirche ihre Regeln wohl irgendwann ändern. Sie hat ja bereits viele andere Regeln geändert. Wir verbrennen etwa keine Frauen mehr als Hexen, und wir ziehen nicht mehr in den Kreuzzug.

Das ist ja ein geradezu reformatorischer Ansatz …

Ja, sicher. In meinem Pfarrhaus lebt seit zehn Jahren Tür an Tür ein pensionierter evangelischer Pfarrer mit seiner Gattin. Der sagte mir schon: ‚Martin Luther hätte seine Freude an dir!‘ Aber halten wir fest: Ich will keine Reformation durchführen. Ich mache einfach mein Ding.

Woher kommt diese Einstellung bei Ihnen?

Die wurde mir von klein auf mitgegeben. Die Gemeinde, in der ich groß wurde, ist eine nachkonziliare Gemeinde, in der ich nur Menschen mit weit ausgebreiteten Armen getroffen habe. Kirche war für mich immer: ‚Wir brechen auf! Wir reihen uns ein in diesen Zug, der schon mit dem Auszug der Israeliten aus Ägypten heraus und in die Freiheit hinein begann. Wir brechen auf und entdecken neues Land!‘ Als ich ein kleiner Junge war, war es in dieser Gemeinde schon völlig normal, dass Laien predigen. Nun, seit ungefähr 20 Jahren wird wieder viel darüber diskutiert, ob Rom das erlaubt, dass Laien predigen. Und ich stehe da wie ein Tor und sage: Was haben die für Probleme in Rom?

Aber die Katholische Kirche ist ja hierarchisch aufgebaut, geraten Sie nicht permanent in Konflikt?

Nein. Die Hierarchie ist ja keine Staatsform, sondern bedeutet, dass jeder von uns Glied eines Leibes ist, dessen Haupt Christus ist, und wir alle haben ein geistliches Amt.

Wie kommt es zu dieser fruchtbaren Zusammenarbeit mit Franz Xaver Bogner?

2011 übernahm ich die Gemeinde Heilig-Geist, damals drehte er für die Serie „München 7“ in meiner Kirche, und so lernten wir uns kennen. Ich arbeite seit vielen Jahren mit ihm zusammen. Bogner ist übrigens ein sehr gläubiger katholischer Mensch. Damals fiel ihm auf, dass in meiner Kirche viele Frauen dargestellt sind. Der Heilige Geist und seine Eigenschaften wie z.B. die Weisheit werden durch Frauen verkörpert, das hat ihn sehr interessiert. Ich konnte ihm erklären: Das Wort für Geist, Ruach, ist im Hebräischen weiblich.

Ich meine, Sie in einer Szene in der Serie erkannt zu haben …

Ja, das ist ein Cameo-Auftritt von mir. Ich habe immer betont, dass ich keine feste Hauptrolle spielen möchte – denn es soll da nicht um mich gehen. Die Szene, die Sie ansprechen, ist die, in der Pfarrer Reiser die Idee zur Viecherlmesse hatte. Das ist der Glutkern der ganzen Serie! Reiser trifft einen Mann abends vor der Kirche beim Gassigehen mit seinem Hund, der ständig in das Gotteshaus gehen will. Da wird dem Pfarrer klar: Ja, warum sollte der Hund denn eigentlich nicht in die Kirche dürfen? Er diskutiert nicht lange, sondern denkt selber nach. In der Realität war es so: Meine Kirche steht direkt an der Isar, wo viele Menschen mit ihren Hunden Gassi gehen. Und ich fragte mich: Warum sind mehr Menschen mit ihren Hunden unterwegs als in meiner Kirche? So kam es zu den Viecherlmessen.

In der Szene wird das Schild neben der Kirchentür gezeigt, auf dem steht: „Wir müssen draußen bleiben!“ Irgendwie ja ein Ausdruck von Exklusivität und nicht von Inklusivität.

Eben! Und ich frage mich oft: Stehen wir hier eigentlich vor einer Kirche oder vor einer Metzgerei? Ich sage meinen Leuten immer: Ja, wir sind ein Lebensmittelladen! Nur holen wir uns hier nicht Mittel zum Leben, sondern wir holen uns das Leben selbst!

Sind Sie eigentlich noch in der richtigen Kirche?

Ja, ich bin genau in der richtigen Kirche, nämlich in der, in die mich meine Eltern hineingebracht haben durch ihre Bitte um meine Taufe. Das war nicht meine Entscheidung, sondern dem liebenden Willen meiner Eltern entsprungen. Ich sage evangelischen Christen gerne: Einer der dümmsten Sätze, die wir uns über Jahrhunderte gesagt haben, ist der, dass der andere die falsche Konfession habe. Man kann gar nicht den falschen Glauben haben, man kann höchsten einen Glauben haben, der den Menschen nicht im Blick hat, dann ist er falsch. Aber der Glaube an sich ist intim, wie die Liebe. Ich kann einem Menschen alles nehmen, nicht aber seine Liebe und seinen Glauben.

Vielen Dank für das Gespräch!

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