Meinung

Männerfantasie mit Lesben im Kloster

Der neue Film von Regisseur Paul Verhoeven handelt von einer lesbischen Nonne. „Benedetta“ zeigt alles, was hier an sexueller Fantasie so möglich ist, und noch ein bisschen mehr.
Von Jörn Schumacher
„Benedetta“, Paul Verhoeven

Da ist viel los im Theatiner-Kloster in Pescia. Der Film „Benedetta“ vom Regisseur Paul Verhoeven ist nichts für schwache Nerven. Erst recht nichts für Gläubige, die sich ihr frommes Bild von einem Nonnenkloster bewahren wollen. Verhoeven erzählt die Geschichte der Nonne Benedetta Carlini (1590–1661), die eine lesbische Beziehung zu einer anderen Nonne hatte. Und Verhoeven lässt so gut wie kein Tabu aus. Streckenweise wirkt der Film, der am 2. Dezember 2021 in die deutschen Kinos kommt, wie ein Softporno aus den 70er Jahren mit blutigen Horror-Elementen, so dass das Magazin Filmdienst unkte: „Das Ganze grenzt an Sexploitation oder hier: Nunsploitation.“ Und man fragt sich mehr als einmal, ob der 83-jährige Regisseur hier alles so ernst meint oder eigentlich eine Satire drehen wollte.

Der 1938 in Amsterdam geborene Verhoeven ist bekannt für den Film „Basic Instinct“ (1992) und der darin enthaltenen delikaten Szene, in der Darstellerin Sharon Stone bei einem Verhör im Minikleid die Beine übereinander schlägt und weit mehr von sich offenbart als ein Geständnis. Sex und explizite Gewalt begleiteten das Œuvre des Filmemachers in den vergangenen fünf Jahrzehnten. Schon 1973 sorgte er mit dem Film „Türkische Früchte“ für Aufsehen, in dem es viele deutliche und auch für damalige Verhältnisse provokante Sexszenen gab. Dann machten Kassenschlager wie die Actionfilme „RoboCop“ (1987) und „Total Recall – Die totale Erinnerung“ (1990 mit Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle) Verhoeven zu einem wichtigen Player in Hollywood.

Regisseur mit christlicher Vergangenheit

Der Kultregisseur hegte zeit seines Lebens ein großes Interesse für den christlichen Glauben. Dass er selbst wirklich gläubig ist, fällt schwer zu sagen. Wie er in einem Interview berichtete, warf ihn 1966 die ungewollte Schwangerschaft seiner Freundin ziemlich aus der Bahn. Zufällig sei er dann in den Gottesdienst einer Pfingstkirche geraten und habe dort ein „Jesus-Erlebnis“ gehabt. Heute bezeichnet er diese Episode als „religiöse Psychose“. Im Jahre 2008 schrieb er ein Buch über Jesus und kündigte auch immer wieder an, dieses irgendwann verfilmen zu wollen. Einige seiner wagemutigen Theorien daraus: Jesus ist das Ergebnis einer Vergewaltigung Marias durch einen römischen Soldaten, Judas hat Jesus nie verraten, Jesus ist nicht der Sohn Gottes, und das Sühneopfer Jesus sei kompletter Unsinn.

Nun beglückt Verhoeven die Welt mit einer Lesben-Fantasie, die immer wieder aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Sein Film „Benedetta“, der im Juli beim 74. Filmfestival in Cannes seine Premiere feierte, handelt von der italienischen Nonne Benedetta Carlini, die mit 30 Jahren zur Äbtissin des Theatiner-Klosters in Pescia am Rande der Toskana gewählt wurde. Sie hatte Visionen von Jesus (die Verhoeven in seiner ganz eigenen Art interpretiert), und bekam die Wundmale Christi. Vor allem sorgte sie für einen Skandal, weil sie eine sexuelle Beziehung zu einer anderen Nonne pflegte. Die echte Benedetta wurde im Jahr 1623 wegen ihrer lesbischen Handlungen zu lebenslanger Haft verurteilt, sie verbrachte die letzten 35 Jahre ihres Lebens im Kerker. Die US-amerikanische Historikerin Judith C. Brown wertete die Prozessakten aus und veröffentlichte 1986 ein Buch mit dem Titel „Schändliche Leidenschaften. Das Leben einer lesbischen Nonne in Italien zur Zeit der Renaissance“. Dies diente Verhoeven als Vorlage.

Und schon sind wir drin in der Männer-Fantasie, an der sich Verhoeven 127 Minuten lang abarbeitet. Wenn es nur viel nackte Haut wäre, entblößte Nonnen-Brüste und Sexspielchen, wäre es zwar auch schon herausfordernd, aber erwartbar. Verhoeven aber muss dann schon die Nonne beim Geschäft auf dem Klo zeigen, einen selbstgeschnitzten Holz-Dildo und natürlich viel Blut. Als Benedetta (Virginie Efira) als junges Mädchen in das Kloster kommt, stellt die Oberin (Charlotte Rampling) klar, dass das Mädchen nun eine „neue Braut“ für Jesus sei. Zweideutigkeit erwünscht. Und Benedetta darf nur deswegen in den Konvent eintreten, weil ihr reicher Vater für ihren Aufenthalt lebenslang zahlt.

Ebenso kommt die junge Bartolomea (Daphne Patakia) nicht etwa deswegen ins Kloster, weil sie Gott dienen will, sondern weil sie ihrem Vater schlicht und einfach abgekauft wird wie ein Schaf. „Ein Geschenk für dich“, sagt der Vater zu seiner Tochter, als habe er ihr damit gerade ein Spielzeug geschenkt. Und genau so kommt es dann ja auch. Das Kloster ist bei Verhoeven damit nicht weit entfernt von einem Bordell, nur mit Bräuten für Christus. Der tritt dann auch immer wieder selbst in Erscheinung, und auch dessen Absichten Benedetta gegenüber sind größtenteils sexueller Natur. Das Verhältnis Benedettas zu ihrer neuen Gespielin Bartolomea ist von Abhängigkeit geprägt, denn diese darf nur bleiben, so lange jene es will.

Wo ist der Protest der Feministinnen?

Als seien diese blasphemischen Einsprenkelungen nicht genug, verwendet der Regisseur bei jedem Vorkommen des Wortes „Liebe“ im Zusammenhang mit dem Glauben eine Interpretation im sexuellen Sinne. Da wird dann der Auftrag der Mutter Gottes, Benedetta solle der neuen Novizin ihre „Liebe und Fürsorge“ angedeihen lassen, ausschließlich so interpretiert. Nachts flüstert Benedetta ihrer schönen Zimmernachbarin im Nebenbett zu: „Jesus gab mir ein neues Herz. Komm und fühl einmal, wie groß es ist.“ Solche Dialoge gibt es sonst nur in Pornos. Und wieso sind alle Vorhänge im Kloster eigentlich durchsichtig?

Der Film „Benedetta“ ist eine peinliche Altmännerfantasie, die immer wieder ins unfreiwillig Komische abdriftet. Meint Verhoeven es wirklich ernst, wenn sich die Nonnen einen aus einer Marienfigur geschnitzten Dildo zum Geschenk machen? Es ist zudem die von Gott höchstpersönlich angeordnete lesbische Beziehung hinter Klostermauern, die den Film gerade für gläubige Christen zu einem kaum erträglichen Stoff machen. Jesus heißt das Treiben Benedettas nicht nur für gut, er bestärkt sie sogar darin und küsst sie, in Visionen, wo immer er kann. Das Ganze kulminiert dann in einer Annäherung zwischen den beiden, die ebenfalls einzig als Provokation gemeint ist.

Die ist, laut dem Branchenmagazin Filmdienst, am Ende nicht gelungen. Zum Filmfestival in Cannes gehöre der Skandal eigentlich ebenso dazu wie die echte Filmkunst, schreibt der Kritiker. Und darauf hatte es Verhoeven wohl angelegt – schon zuvor sorgte das Filmplakat von einer Nonne mit entblößter Brust für Diskussionen. Doch die Zeit, in der lesbische Nonnen als Skandal in Cannes dienen können, ist wohl vorbei. „Einen echten Skandal dürfte ‚Benedetta‘ kaum auslösen“, schreibt der Filmdienst, „weil sich für dieses abgehangene und in einschlägigen Sexfilmen aus den 1970er-Jahren schon weidlich ausgewalzte Sujet kaum noch jemand interessiert“. Wo ist die #metoo-Debatte, wenn man sie braucht?

„Benedetta“, Frankreich/Niederlande 2021, 127 Minuten, Regie: Paul Verhoeven, Kinostart in Deutschland: 2. Dezember 2021

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5 Antworten

  1. Müssen wir Christen uns untereinander eigentlich auch noch über jeden Schmutz informieren nur weil etwas christliches enthalten ist oder sollen mit der Info christlichen Männerfantasien nachgeholfen werden, liebe Redaktion. Und @Martin, hier geht es nicht um den Abfall in der Kirche sondern darum, was alles in unserer Gesellschaft möglich ist. Das aber dürfte mittlerweile überall bekannt sein…

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  2. Seit wann ist das was Neues?
    Seit diese als Nonne verkleidete Kebekus oder wie sie heisst, ihres Zeichens angeblich Kabarettistin, das Kreuz mit Corpus (ich bin katholisch) abgeschleckt hat und niemanden hat es interessiert, das Kreuz mit Corpus in mit Urin gefüllten Flaschen ….. der christliche konservative Glaube wird schon seit den 68ern aufs Schlimmste hier in Europa verhöhnt .. stört aber niemanden – der christliche Glaube kennt keine gewalttätige Vergeltung bei Beleidigung .. . obwohl man hier noch immer die Früchte der christlichen Freiheit geniesst .. wahrscheinlich jammern nur dann wieder alle, wenn diese Freiheit eines Tages verschwunden ist … aber vielleicht braucht man das hier … es muss wohl soweit kommen ..

    Und im Grunde hat Matze recht …

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  3. der Artikel hält sich auffallend lange, will man mit solchen Informationen die Leute aufgeilen oder geht es nur um Klicks ? Sowas kenne ich sonst nur von Zeitschriften wie der Bild oder dem Stern.
    Man schiebt eine Nachricht vor, aber es geht eigentlich um eine Art Voyeurismus.

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  4. Dass unser „Kulturbetrieb“ pervers ist, war mir bereits vorher bekannt !

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