Die Reformation vor 500 Jahren sei ein Medienereignis gewesen und habe die menschliche Kommunikation sowie die Beziehung zwischen Gott und Mensch völlig verändert. Johanna Haberer, Professorin für Christliche Publizistik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), sieht eine direkte Verbindung zwischen dem von Luther beschriebenen „Priestertum aller Getauften“ und der Entstehung von Öffentlichkeit, die der Buchdruck mit beweglichen Lettern mit ermöglichte. Plötzlich sei der Laie dazu in der Lage gewesen, seine Meinung öffentlich kund zu tun, sich unabhängig von der Kirche zu informieren und zu bilden. Die Druckmaschinen von damals vergleicht die Theologin mit den Servern von heute. „Luther würde heute twittern“, ist sie überzeugt.
Haberer fordert die evangelische Kirche dazu auf, im Sinne dieses Erbes die digitale Gesellschaft aktiv mitzugestalten. Sie wünscht sich, dass die Kirche für informationelle Selbstbestimmung kämpft: „Wir müssen wissen, was andere über uns wissen.“ Außerdem sollen die Kirchen für den Schutz der Privatsphäre als Menschenrecht eintreten. „Aus christlichen Gründen muss der Fremdüberwachung widerstanden werden“, sagt Haberer. Sie fordert die Institution Kirche dazu auf, sich dafür stark zu machen, dass Buße und Umkehr möglich sind – gerade im Angesicht eines Netzes, das nichts vergisst und in der Hand einiger weniger Monopolisten liegt. Haberer plädiert für eine Betonung der Gnade im Angesicht der stetigen menschlichen Versuche, sich selbst zu optimieren. Dabei verlöre so mancher den Nächsten aus dem Blick.
Gemeinsam mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) veranstaltet die FAU das zweitägige Medienkonzil 2015 „Bürgersein in der digitalen Welt“. Es findet im Rahmen der Reformationsdekade statt und bringt Menschen aus Medien, Kirche, Wissenschaft und Politik zusammen. Sie beratschlagen über den digitalen Wandel mit all seinen positiven aber auch negativen Konsequenzen für das Individuum und die Gesellschaft. (pro)