Für Hartmut Steeb etwa, den Generalsekretär der "Deutschen Evangelischen Allianz", ist eine solche Störung des gottesdienstlichen Lebens nicht in Einklang zu bringen mit der "Zivilcourage im Sinne Luthers". Auch der Wittenberger Theologe und einstige DDRBürgerrechtler Friedrich Schorlemmer zeigte sich wenig erfreut über das "Punkgebet" und nannte es eine "Gotteslästerung". Allein der Name der Band und deren Texte seien "Schweinereien". Und der Landes-Beauftragte der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland für Reformation und Ökumene, Siegfried Kasparick, verwies auf die religiösen Gefühle, welche die bunt kostümierten Frauen verletzt hätten. In Russland bekamen zwei Bandmitglieder jedenfalls zwei Jahre Straflager, eine dritte wurde auf Bewährung verurteilt.
Andere Menschen sehen im "Punkgebet" genau jenen Mut, der Luther schließlich dazu brachte, die ganze Welt zu verändern. Die Stadt Wittenberg hat die Punkband für den Luther-Preis "Das unerschrockene Wort" nominiert. Damit ist die Gruppe eine von 16 möglichen Preisträgern, die die Lutherstädte Deutschlands vorschlagen. Dass "Pussy Riot" mit diesem Preis für Zivilcourage in Verbindung gebracht werden, war für viele Kirchenvertreter nicht akzeptabel.
Doch wie die "Deutsche Presse-Agentur" am heutigen Donnerstag meldet, bleibt die Stadt Wittenberg trotz Protest bei ihrer Nominierung. Der Stadtrat sprach sich am Mittwochabend mehrheitlich dafür aus, allerdings wird sich der Hauptausschuss in Wittenberg am 8. November noch einmal mit dem Thema befassen – zwei Tage vor der entscheidenden Jurysitzung in Eisleben. In den Statuten zum "Lutherpreis" heißt es: "Wenn Opportunitätsdenken, das Bemühen um Anpassung und Konformität und die Scheu vor vermeintlichen Autoritäten überhand nehmen, dann verkümmert der Mut, unüberh.rbar das zu sagen, was möglicherweise unbequem ist, der vorherrschenden oder der obrigkeitlichen Meinung zuwiderläuft, aber um der Wahrheit und Wahrhaftigkeit willen ausgesprochen werden sollte." Und auch Luther selbst wird bemüht: "Mutig und standhaft hat Dr. Martin Luther seine Überzeugung gegenüber den Autoritäten seiner Zeit verteidigt." Leider ist nicht bekannt, ob er auch in einer bunten Sturmmaske vor einem Altar Obszönitäten gegen den Kaiser gesungen hat. (pro)