Dass die weißrussischen Glaubensgemeinschaften zu Gewaltverzicht und einem nationalen Dialog aufrufen, gefällt dem weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko gar nicht. Er kritisierte das kirchliche Engagement in und für die Demokratiebewegung. Aus seiner Sicht sei diese fehl am Platz.
Die Katholische Nachrichtenagentur beruft sich in ihrer Meldung auf eine Rede des Machthabers vom Samstag in Grodno. Demzufolge sollten sich die Betreffenden für ihr Engagement schämen. Kirche sei nicht der Platz für Politik, sondern zum Gebet.
Für die sprechen, denen die Stimme genommen wurde
Die katholische Kirche hatte sich wie andere Glaubensgemeinschaften an die Seite der Demonstranten gestellt. Die Demonstranten bezweifeln die Rechtmäßigkeit der Wahl. Sie kritisieren, dass die Polizei mit Gewalt gegen sie vorgeht. Es sei die Aufgabe der Kirche, die Schwachen zu verteidigen und für jene zu sprechen, denen die Stimme genommen worden sei, erklärte der Minsker Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz die Beweggründe.
Der Theologe, der auch Vorsitzender der nationalen Bischofskonferenz ist, forderte die sofortige Freilassung der verhafteten Anhänger der Demokratiebewegung. Die Regierung hätte zudem bislang Geistlichen die Besuche bei Inhaftierten verwehrt. Lukaschenko hat dazu seine ganz eigene Meinung. Geistliche sollten nicht für Oppositionelle das Wort ergreifen.
Weißrussland hatte am 9. August seinen Präsidenten gewählt. Das Land hat verkündet, dass Lukaschenko die Wahl mit 80 Prozent der Stimmen gewonnen hat. Seitdem mehrten sich die Proteste gegen die Rechtmäßigkeit der Wahl. Menschenrechtsaktivisten machen die Behörden für den Tod von mindestens vier Regierungskritikern verantwortlich. Die Europäische Union erkennt das offizielle Wahlergebnis nicht an, weil die Wahl weder frei noch fair gewesen sei. Die Mehrheit der 9,5 Millionen Weißrussen sind orthodoxe Christen; etwa 15 Prozent gehören der Katholischen Kirche an.
Von: Johannes Blöcher-Weil