Am vergangenen Mittwoch war der AfD-Mitbegründer Bernd Lucke bei seiner ersten Vorlesung an der Universität Hamburg als „Nazischwein“ beschimpft worden. Er wurde unter anderem von Mitgliedern der „Antifaschistischen Aktion“ (Antifa) bedrängt und daran gehindert, seine Vorlesung zu halten.
In der Welt am Sonntag begründet Lucke in einem Gastbeitrag, warum er durch solche Ereignisse die Freiheit der Rede in Deutschland gefährdet sieht. Heutzutage gehe es oft darum, die Positionen von politisch Andersdenkenden zu „vergröbern“ und zu „verzerren“, um sie „möglichst nachhaltig zu diskreditieren“. Lucke schreibt: „Wer den Euro kritisiert, ist ein Antieuropäer, wer das Kopftuch verbieten will, ist ein Islamfeind, wer Greta kritisiert, ist ein Klimaleugner.“ Es gebe zwar auch faire Diskussionspartner, aber oft werde die gegnerische Position entstellt.
In seinem Fall sei die Beschimpfung „Nazischwein“ zusammen mit einem Angriff auf die Freiheit der Lehre zu weit gegangen. Lucke weist zudem darauf hin, dass die AfD in ihren Anfängen politisch „ganz anders verortet“ gewesen sei als derzeit.
Zwei Drittel sehen Meinungsfreiheit in Gefahr
Besonders bei Vertretern von Mehrheitsmeinungen stellt Lucke fest, dass „sie sehr schnell darin sind, schon bei leichten Abweichungen vom allgemein akzeptierten Meinungskorridor sehr hässliche Begriffe hervorzuholen, um einen Angriff auf die Meinungsherrschaft abzuwehren“. Denn Meinungsherrschaft sei zugleich politische Herrschaft. Und wer die inne habe, „gewinnt Wahlen“.
Lucke betont, dass Deutschland ein freies Land sei und jeder seine Meinung äußern könne. Grenzen fänden sich lediglich bei Straftatbeständen wie Beleidigung, Verleumdung oder Volksverhetzung, was auch richtig sei. Eine Allensbach-Studie zeige jedoch, dass fast zwei Drittel der Bevölkerung der Auffassung seien, sie könnten ihre Meinung nicht frei vertreten. Sie fürchteten negative Folgen bei „heiklen Themen“. Es scheine, als habe sich in der deutschen Gesellschaft eine „hämische Freude“ daran breitgemacht, Dinge aufzubauschen, die Vertreter von Minderheitsmeinungen in ein schlechtes Licht rückten.
„Das ist nicht gesund. Das ist nicht gut für die Bürger, denn sie fühlen sich verunsichert“, schreibt Lucke. In der Gesellschaft müsse gerade über anstößige Meinungen offen gesprochen werden. Das wirke sich auch auf die Politiker aus, die an ihren Formulierungen so lange schliffen, bis sie „rund und glatt wie Seifenblasen“ seien. Das führe zu Inhaltsleere und Entfremung gegenüber den Wählern. Große Teile der politischen Rhetorik erstarrten zu Floskeln. Damit wachse die Distanz zu den Wählern. Bei den Wählern steigere das die Versuchung, sich Politikern zuzuwenden, die unkonventionelle Meinungen verträten. Wer abtrünnige Wähler zurückgewinnen wolle, müsse andere Meinungen respektieren. Verzerren und diskreditieren gehe schnell, sei aber feige. „An dieser Feigheit krankt unser Land“, schlussfolgert Lucke.
Von: Swanhild Zacharias