Meinung

Lieben wie ein Roboter

Könnten Sie sich in einen Roboter verlieben? Der Film „Ich bin dein Mensch“ von Maria Schrader, der am Donnerstag in die Kinos kommt, spielt diese Möglichkeit durch. Er geht dabei die alles entscheidende Frage an: Wäre ein perfekter Roboter eigentlich der perfekte Partner? Und was genau macht einen Menschen aus?
Von Jörn Schumacher

In dem deutschen Spielfilm „Ich bin dein Mensch“ lässt sich die Wissenschaftlerin Alma auf ein Experiment ein: Drei Wochen lang lebt sie mit dem Androiden Tom zusammen. Die alleinstehende Frau soll nach dieser Zeit beurteilen, ob eine Partnerschaft mit einem ziemlich menschlich wirkenden Roboter möglich ist oder nicht. Dabei streift der Film erwartungsgemäß philosophische Fragen, darunter eine der ältesten überhaupt: Was ist der Mensch?

Regie führte Maria Schrader, die als Schauspielerin (Silberner Bär) und als Regisseurin seit vielen Jahren erfolgreich ist. Zusammen mit ihrem langjährigen Lebens- und Arbeitsgefährten Jan Schomburg schrieb sie hier auch das Drehbuch. Schomburgs letzter Film „Der göttliche Andere“ handelte von einem Journalisten, der sich vom Atheisten zum Gottgläubigen wandelt. „Ich bin Dein Mensch“ lief im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale und soll am 1. Juli in den Kinos anlaufen. Hauptdarstellerin Maren Eggert wurde für ihre Leistung mit einem Silbernen Bären geehrt.

Sprachassistent auf zwei Beinen

Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) wird seit einigen Jahren zunehmend wichtiger; die Leistung der Programme bricht immer neue Rekorde. KI-Software kann inzwischen Großmeister im Schach und in anderen Spielen besiegen, sie versteht und erzeugt menschliche Sprache und erschafft sogar Kunstwerke. Und bei alledem verfügt sie über die vielleicht erstaunlichste (bisher nur menschliche) Fähigkeit: sie lernt dazu.

Warum sollte dann eine Künstliche Intelligenz im Inneren eines täuschend echten Roboters mit menschlichem Aussehen nicht irgendwann auch einen guten Lebenspartner abgeben können? In Maria Schraders Film, der auf einer Erzählung der deutschen Autorin Emma Braslavsky basiert, lässt sich Alma, die im Berliner Pergamonmuseum arbeitet, auf diesen Versuch ein. Im Laufe des Films changiert Alma dabei zwischen Skepsis und Faszination.

Das Sujet ist freilich nicht neu. Im Film „Her“ verliebte sich Joaquin Phoenix 2013 in ein Computersystem mit wunderschöner weiblicher Stimme, immer wieder stapften Roboter durch die Filmgeschichte und versuchten nicht nur kriegerische Feinde, sondern auch die Herzen von Menschen zu erobern. Und schon seit Jahrzehnten wird in der Fernsehserie Star Trek jedes denkbare Gedankenexperiment mit dem Androiden Data durchgespielt. Hat so ein Roboter ein Selbstbewusstsein? Sollte man ihm nicht auch Menschenrechte zugestehen? Kann er lieben? Glauben? Fürchten?

Auch in „Ich bin dein Mensch“ nimmt Schrader das eine oder andere obligatorische Element dieses Sujets mit. Roboter Tom spricht besonders zu Beginn wie ein Sprachassistent à la Siri, Alexa und Co; wie jeder ordentliche Film-Roboter steckt auch er erst einmal in einer Routineschleife fest und stammelt immer wieder dasselbe Zeug oder rattert einen Lexikon-Eintrag herunter, wenn er mit einem Thema gerade mal nicht so vertraut ist. Sogar das Hauptquartier von Toms Herstellerfirma ist – wie üblich – eine futuristische Eingangshalle, komplett in Weiß gehalten.

Kann ein Roboter an Gott glauben?

Dann aber steigt das Gedankenspiel weiter in die Beziehung zwischen Alma und Tom ein, und die Fragen gehen tiefer. Schließlich könnte ja wirklich ein Roboter, der nicht nur aussieht wie ein Mensch, sondern sich auch so verhält, in nicht allzu ferner Zukunft Realität werden. Alma testet ihren neuen Mitbewohner natürlich auf Herz und Nieren. Ihre erste Frage an den Androiden lautet erstaunlicherweise: „Glaubst Du an Gott?“ Ob er weiß, was Liebe ist, und ob dies mehr ist als nur die körperliche, das wird Alma im Laufe des Film herausfinden. Sie selbst stellt klar: Schon als Kind habe sie beschlossen, nicht an Gott zu glauben, und so will sie sich auch auf keinen Fall einreden, Tom sei ein Mensch, obwohl er das nicht ist. Tom erwidert: „Sehr viele Menschen würden anfangen, in einem abstürzenden Flugzeug zu beten. Das ist menschlich.“

Ansonsten versucht Tom genau das zu tun, was man von einem Roboter erwartet, er ist schließlich darauf programmiert, seinen „Besitzer“ glücklich zu machen. Aber ist das wirklich das, was Alma als Partner möchte? Einen perfekten Mechanismus, der alle Wünsche von den Augen abliest und nichts weiter als dem anderen gefallen will? Oder sucht man nicht gerade das Menschliche, das Unzulängliche, die unerfüllten Sehnsüchte, und, ja, die Probleme des anderen? Auf jeden Fall wird Alma bald klar: Tom simuliert Gefühle, aber er hat keine.

Der Film „Ich bin dein Mensch“ mit Sandra Hüller (leider nur) in einer Nebenrolle und einem tollen Dan Stevens als Android Tom erreicht vielleicht nicht die philosophische Tiefe, die andernorts in der Filmgeschichte schon mal erreicht wurde. Aber er geht der Frage sehr unterhaltsam auf den Grund, was einen Menschen eigentlich ausmacht und ob man an das Menschliche in einem Gegenstand nicht genau so glauben kann wie an Gott. Im Jiddischen gibt es einen Ausdruck: Man sagt „Er ist a Mensch“ und sagt damit noch viel mehr über jemanden aus, als dass er aus Fleisch und Blut besteht. „Ich bin dein Mensch“ behauptet jedenfalls Roboter Tom in diesem Film. Ob er auch „a Mensch“ ist, muss Alma, und muss jeder Zuschauer für sich selbst entscheiden.

„Ich bin dein Mensch“, 104 Minuten, Regie: Maria Schrader, ab 1. Juli 2021 im Kino

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