Lage der Menschenrechte weltweit prekär – auch für Christen

Mit Gewalt niedergeschlagene Proteste und Millionen Menschen auf der Flucht: Die Menschenrechtslage war 2022 vielerorts schlimm. Auch viele Christen und religiöse Minderheiten waren unter den Leidtragenden.
Von Swanhild Brenneke
Kreuz am Boden

Weltweit gehen zunehmend Menschen auf die Straße, um für ihre Rechte zu kämpfen. Das stellt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International zur Lage der Menschenrechte weltweit fest. Ein aktuelles Beispiel seien die Proteste im Iran. Mehr als 22.000 Menschen seien seit Beginn der Massenproteste willkürlich festgenommen worden, heißt es im Jahresbericht der Organisation.

Demonstranten seien erschossen, verschleppt und gefoltert, und in unfairen Gerichtsverfahren zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Mindestens vier Menschen seien bereits hingerichtet worden, 14 weiteren drohe die Todesstrafe.

Generell stellt Amnesty fest, dass viele Regierungen auf Proteste ihrer Bürger mit Repressionen reagieren. In 85 der 156 von Amnesty International betrachteten Länder hätten Sicherheitskräfte unrechtmäßige Gewalt gegen Protestierende eingesetzt – das sind 54 Prozent. In 35 Ländern seien sie mit tödlichen Waffen vorgegangen, in 79 Ländern willkürlich festgenommen worden. In 29 Ländern sei das Recht auf friedlichen Protest eingeschränkt worden.

Unter Menschenrechtsverletzungen leiden weltweit auch religiöse Minderheiten wie Christen oder Muslime. Verfolgung, Diskriminierung oder andere Einschränkungen im täglichen Leben gehören für sie vielerorts zum Alltag. Mancherorts wird die Diskriminierung gesellschaftlicher Gruppen auch mit der Religion begründet. In folgenden Ländern hat die Organisation besonders viele Fälle von Verstößen gegen die Menschenrechte in Bezug auf die Religion festgestellt:

Algerien

Hier gilt ein Gesetz, das alle Religionen außer den sunnitischen Islam stark einschränkt. Zum Beispiel dürften Anhänger der islamischen Glaubensgemeinschaft Ahmadiyya per Gesetz verfolgt werden. In 2022 wurden zudem drei protestantische Kirchen von den Behörden geschlossen. Seit 2018 hat es damit 29 Schließungen gegeben. Seit 2006 gab die Regierung keine Genehmigungen mehr für nicht-muslimische religiöse Zusammenkünfte. Die Behörden weigerten sich zudem, der Protestantischen Kirche von Algerien Baugenehmigungen zu erteilen, obwohl es landesweit 47 dieser Gemeinden gebe.

Andorra

Im April 2022 verabschiedete die Regierung ein Gesetz, das es verbietet, religiöse Symbole in Bildungseinrichtungen zu tragen. Das Gesetz diskriminiere damit zum Beispiel muslimische Frauen und Mädchen mit Kopftuch im Alltag und in der Öffentlichkeit, kritisiert Amnesty.

Immer mehr Menschen gehen in Belarus gegen Präsident Alexander Lukaschenko auf die Straße Foto: Artem Podrez/Pexels
Im Jahr 2020 gingen in Belarus viele Menschen gegen Präsident Alexander Lukaschenko auf die Straße

Belarus

Die Regierung hat lokale christliche Leiter und Aktivisten ins Visier genommen, die sich während der Proteste in 2020 gegen Polizeigewalt ausgesprochen oder die Rolle von Belarus in Russlands Krieg gegen die Ukraine kritisiert hatten. Im März 2022 wurden mehrere Häuser von katholischen Priestern durchsucht. Einer lokalen katholischen Gemeinde wurden Berechtigungen entzogen, unter anderem zur Nutzung eines Kirchengebäudes in der Hauptstadt Minsk. Die Gemeinde hatte Protestanten, denen Polizeigewalt drohte, im Jahr 2020 Schutz angeboten.

China

Allgemein sind Schikanen und Inhaftierungen für Menschen, die ihre Religion und ihren Glauben ausübten, weiterhin an der Tagesordnung. Unter anderem wurden religiöse Leiter, zum Beispiel von Hauskirchen, willkürlich verhaftet.

Mehr zur schwierigen Lage der Christen in China lesen Sie auch hier.

Ägypten

In Ägypten werden Christen weiterhin verfolgt, wenn sie ihr Recht nach Glaubensausübung einfordern. Das Recht zum Bau oder zur Reparatur von Kirchengebäuden ist stark eingeschränkt worden. Nur 45 Prozent der Anträge auf Bau- oder Reparaturarbeiten wurden seit 2016 stattgegeben.

Im Januar 2022 wurden neun Menschen willkürlich festgenommen, die friedlich dafür protestiert hatten, ihre einzige Kirche im Dorf wieder aufzubauen.

Mehrere Mitglieder religiöser Minderheiten wurden im vergangenen Jahr wegen falscher Anschuldigungen oder weil sie angeblich die Religion verleumden, verhaftet.

Foto: GODL-India/Wikimedia
Narendra Modi ist Indiens Premierminister. Unter seiner hindu-nationalen Regierung leiden religiöse Minderheiten.

Indien

Regelmäßig wurden im vergangenen Jahr Muslime verhaftet, weil sie unter anderem Feindseligkeiten zwischen verschiedenen Gruppen gefördert haben sollen, angeblich öffentlich Gebete angeboten, Hindu-Frauen geheiratet oder Rindfleisch gegessen hätten. (Rinder und Kühe gelten im Hinduismus als heilig, Anm. d. Red.).

In mehreren Bundesstaaten gab es Aufrufe, muslimische Geschäfte zu boykottieren.

Im Bundesstaat Utter Pradesh gab es zudem viele gewalttätige Übergriffe auf Christen. Sie wurden beschuldigt, andere zur Bekehrung gezwungen zu haben.

Mehr zur Lage der Christen in Indien lesen Sie auch hier.

Foto: Matt Hrkac | CC BY 2.0 Generic
Weltweit protestierten Menschen in den vergangenen Monaten für Menschenrechte und Religionsfreiheit im Iran – in dem Land selbst werden die Protestanten hart bestraft

Iran

Religiöse Minderheiten, darunter Christen, Juden und sunnitische Muslime, leiden in vielen Lebensbereichen unter Diskriminierung. Hunderte wurden willkürlich verhaftet, ungerecht verfolgt, gefoltert oder in anderen Formen schikaniert, weil sie ihren Glauben ausübten. Wer als Muslim zu anderen Religionen konvertieren will, zum Beispiel zum Christentum, oder aber Atheist werden möchte, wird mit dem Tod bestraft.

Es gab Razzien in christlichen Hauskirchen, christliche Konvertiten wurden willkürlich verhaftet und ihr Besitz wurde beschlagnahmt.

Die prekäre Lage der Menschenrechte in vielen Ländern führt laut Amnesty zu einer „nie dagewesenen Fluchtbewegung“. 103 Millionen Menschen seien in 2022 wegen Krieg, gewaltsamen Konflikten oder Nahrungsmittelengpässen auf der Flucht gewesen.

Erstmals liefert Amnesty auch eine Statistik zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Organisation hat Belege dafür in 20 der 156 untersuchten Ländern dokumentiert – unter anderem für Kriegsverbrechen von Russland im Ukraine-Krieg wie die Verschleppung, Vergewaltigung und Folter von ukrainischen Frauen, Kindern und Männern durch russische Soldaten.

Aber auch in Äthiopien hätten Regierungstruppen und bewaffnete Gruppen Massentötungen und gezielte Angriffe auf Zivilisten verübt. In Myanmar sei das Militär mit Boden- und Luftangriffen schon zum wiederholten Mal gegen Zivilisten vorgegangen. Dörfer seien geplündert und niedergebrannt worden, mit Hunderten Toten und Tausenden Vertriebenen.

„Es gilt, die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen. Regierungen müssen dafür das Völkerrecht und die internationale Menschenrechtsarchitektur stärken“, sagte Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland.

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