Auf die „Moderne Altersmedizin und Menschenwürde im hohen Alter“ ging der Frankfurter Mediziner Rupert Püllen ein. Die demographische Entwicklung vollziehe sich nicht nur in Europa, sondern auch in Staaten wie Brasilien und Indien. Eine Entwicklung, die in Deutschland 100 Jahre gedauert habe, geschehe in anderen Ländern binnen einer Generation.
„Überalterung“ bezeichnete der Mediziner als Unwort. Die höhere Lebenserwartung sei auch ein Ergebnis großer Fortschritte der Medizin. In seiner Klinik würde das Personal nicht nur schauen, was ein Patient habe, sondern auch, was er könne. „Alte Menschen leisten wertvolle Beiträge. Sowohl Einzelpersonen, die die Gesellschaft gestalten, als auch Gruppen, die der Gesellschaft ökonomisch dienen.“
Patienten fragen, statt ihnen etwas überzustülpen
Püllen verwies auf eine britische Studie. Diese habe herausgefunden, dass Ältere durch ihre Steuern, Konsumausgaben und Freiwilligen-Dienste einen riesigen Beitrag für die Allgemeinheit leisten. Die Würde des Menschen bezeichnete er als unabhängig von Leistungen und vom Lebensalter. Sie sei in der Begegnung von Mensch zu Mensch erfahrbar. „Jeder merkt es an der eigenen Reaktion im Umgang mit anderen.“
Alte Menschen seien kein kostspieliger Luxus. Ein würdiger Umgang mit ihnen verhindere medizinische Probleme und verbessere medizinische Ergebnisse, wo Medikamente nicht greifen würden. „Wir neigen dazu, dem Patienten etwas überzustülpen, statt ihn zu fragen, was er möchte. Natürlich darf daraus kein Selbstbedienungsladen entstehen, aber der Patient darf eigene Prioritäten für den medizinischen Umgang benennen“.
Gegenpol zur ökonomisierten Sichtweise
Über die Sorgekultur und den Rahmen für eine gute Pflege älterer Menschen referierte Professor Anita Hausen. Beim Bemühen um das Wohlergehen anderer könnten professionelle Versorgungsangebote wesentliche Unterstützung leisten. Hausen lenkte den Fokus auch auf die Pflegenden: „Einer Berufsgruppe, der es selbst nicht gut geht, kann sich schwer um andere kümmern.“
Sorgekultur könne auch ein Gegenpol zur ökonomisierten Sichtweise auf Versorgung sein. Hier müsse die Politik dabei helfen, Rahmenbedingungen für eine faire Gestaltung zu schaffen. „Generell muss der Beruf wieder an Ansehen gewinnen, um zukünftige Generationen wieder für den Beruf zu gewinnen.“
Der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, ging darauf ein, wie es gelingen kann, Würde und Selbstbestimmung zu sichern. Dabei warf er auch einen Blick auf die blinden Flecken in der Begleitung und Betreuung älterer Menschen. „Alt werden ist nichts für Feiglinge und für Einzelkämpfer. Jeder muss sich fragen, wie er selbst alt werden möchte“, erklärte Lilie. Er machte deutlich, dass „es aktuell die reichsten Alten sind, die wir je hatten“.
Netzwerke der Menschlichkeit stärken
„Es gibt kein Regelverfahren oder normierte Antworten für ein würdiges Menschenleben bis zuletzt“, verdeutlichte der Theologe. Verantwortung dafür hätten nicht nur die kommunalen Verantwortungsträger. Auch den örtlichen Kirchengemeinden und diakonischen Einrichtungen schrieb er ins Stammbuch, nicht zu oft nebeneinander her zu agieren.
„Wir brauchen ein Netzwerk sorgender Gemeinschaften. Wir brauchen ein Denken, das den Bedürfnissen und Bedarfen der Menschen konkret nachgeht.“ Diese Netzwerke der Menschlichkeit gelte es zu stärken und Menschen dafür zu schulen, dass sie der Aufgabe nachgehen können. Auch das Recht zur palliativen Medizin stehe noch auf tönernen Füßen. Es sei immer noch Glückssache in unserem Land, unter welchem Umstand wir sterben. Für den Einsatz für würdevolles Altern brauche es „mutige Teamplayer“.
Von: Johannes Blöcher-Weil