„Eine Religion, die sich nicht um die Umwelt schert, hat diesen Namen nicht verdient.“ Das betonte Rabbi David Rosen bei der Weltkonferenz der multireligiösen Organisation „Religions for Peace“ in Lindau. Die Verantwortung für die Umwelt sei unmittelbar verbunden mit religiösen Pflichten, sagte er und nannte als Beispiel dafür einen Text aus der Torah: Dort verheißt Gott seinem Volk Regen und gute Ernte, wenn es sich an seine Gebote halte. Andernfalls würde Gott „den Himmel verschließen“, sodass es nicht genug Regen gebe und die Erde keine Früchte mehr hervorbringe (5. Mose 11). Diese Worte seien nicht nur metaphorisch zu verstehen, sondern könnten ganz wörtlich genommen werden, erklärte Rosen mit Blick auf den Klimawandel, die Zerstörung des Regenwaldes und die Ausbeutung von Rohstoffen.
Es gebe viele Probleme auf der Welt, um die sich religiöse Leiter kümmern sollten. Jedoch sei die Grundlage von allem, dass alle Menschen auf einem Planeten lebten, sagte der Internationale Direktor für Interreligiöse Angelegenheiten des Amerikanischen Jüdischen Komitees. Deshalb sei es das wichtigste, diese gemeinsame Heimat zu schützen. Menschliche Selbstbezogenheit und Egoismus seien die Ursache von Umweltproblemen. Gerade religiöse Gemeinschaften könnten daher zu einer „geistlichen und kulturellen Transformation“ beitragen. Die Liebe und die Ehrerbietung gegenüber dem Schöpfer und dem Leben seien es wert, sich für die Umwelt einzusetzen.
Geteiltes Gemeinwohl als Grundlage für Frieden
Etwa 900 Delegierte verschiedener Religionen aus 125 Ländern trafen sich vom 20. bis 23. August in Lindau zur 10. Weltkonferenz von „Religions for Peace“. Schwerpunkt des diesjährigen Treffens war geteiltes Gemeinwohl als eine Grundlage für positiven Frieden. Die Überzeugung dahinter ist, dass Frieden nicht nur „kein Krieg“ bedeutet. Er umfasst auch alle Lebensverhältnisse, die zu einem guten Leben beitragen und Konflikte und Spannungen etwa durch ungleiche Rechte, Armut oder knappe Rohstoffe vorbeugen.
Die Abschlusserklärung der Konferenz nimmt das Gemeinwohl in den Blick. Dazu gehöre die „Erde mit ihrer Luft, dem Wasser, dem Boden und dem Netz des Lebens. Es beinhaltet auch gerechte Institutionen, die jedem dabei helfen, seine oder ihre menschliche Würde zu entwickeln.“ In der Erklärung bekräftigt „Religions for Peace“ seine Ziele, sich für das Wohlergehen von Flüchtlingen einzusetzen, und zur Versöhnung zwischen Personen, Gemeinschaften und Nationen beizutragen. Zudem setzt sich die Organisation für den Schutz des Regenwaldes und des Klimas ein und wird Partner der Internationalen Kampagne für die Abschaffung von Atomwaffen (ICAN). Die Delegierten wollen gemeinsam eine „Allianz der Tugenden“ schaffen, die auf in allen Religionen geteilten Werten und Tugenden basiert.
„Religions for Peace“ wurde 1970 während des Kalten Krieges gegründet. Das Anliegen der Organisation ist es, dass die Religionsgemeinschaften zusammenarbeiten, um Frieden zu schaffen und zu bewahren. Dazu arbeitet sie in verschiedenen Themenbereichen: gewaltsame Konflikte verhindern und lösen, gerechte und harmonische Gesellschaften befördern, die Umwelt schützen und Gemeinwohl fördern sowie die humanitäre Entwicklung voranbringen. Konkret hat „Religions for Peace“ beispielsweise in Konflikten in Bosnien, in Zentralafrika, Myanmar oder im Nahen Osten vermittelt oder bei verschiedenen Naturkatastrophen vor Ort geholfen.
Die Organisation hat sechs regionale und 90 nationale Einheiten. Alle fünf bis sechs Jahre kommen führende Religionsvertreter, Politiker, Diplomaten und zivilgesellschaftliche Organisationen zur Weltkonferenz zusammen. Nach eigenen Angaben ist „Religions for Peace“ die weltweit größte und repräsentativste multireligiöse Allianz, um Frieden zu fördern.
Von: Jonathan Steinert