Das Prinzip der Flüchtlingspolitik, den Fremden zu schützen, hat seine Wurzeln in religiösen Texten und Traditionen. Das sagte Dominik Bartsch, der die Flüchtlingshilfeorganisation der Vereinten Nationen, UNHCR, in Deutschland vertritt. Er betonte bei der Weltkonferenz von „Religions for Peace“ in Lindau, dass religiöse Gemeinden und Einrichtungen sehr viel zur Bewältigung von Flüchtlingskrisen beitragen können. Damit würden sie auch die Arbeit der säkularen Flüchtlingsorganisationen unterstützen.
Das beginne bereits bei der Prävention von Konflikten, sodass Menschen erst gar nicht ihre Heimat verlassen müssten. Wenn in einer Gesellschaft ethnische Spannungen auftreten oder es andere Konfrontationen zwischen verschiedenen Gruppen gibt, könnten Religionsgemeinschaften vermitteln und einen Dialog führen. In den Ländern, die Flüchtlinge aufnehmen, hätten religiöse Gemeinschaften eine wichtige Rolle dabei, die Menschen in der neuen Gesellschaft zu integrieren und Brücken zwischen ihnen und den Einheimischen zu bauen. Zurück in den Heimatländern könnten religiöse Gruppen ebenfalls helfen, Spannungen abzubauen und zur Versöhnung beizutragen.
„Um Werte kämpfen“
Bartsch betonte die Bedeutung von Solidarität. „Fast alle Religionen folgen diesem Wert“, sagte er: der Mensch als Teil einer Gemeinschaft, die sich umeinander kümmert. Wenn Flüchtlingskrisen gelöst werden konnten, dann, weil sich Menschen solidarisch für andere einsetzten. Er hob zudem hervor, dass Flüchtlinge weltweit nur geschützt werden könnten, wenn Staaten zusammenarbeiteten und die Lasten gemeinsam trügen. „Hier können religiöse Einrichtungen einen sehr aktiven Beitrag leisten und sich in die Verhandlungen einbringen“, sagte Bartsch, „besonders in Zeiten, wo Krieg wieder zu einem Mittel wird, um nationale Interessen durchzusetzen.“ Er forderte die religiösen Leiter bei der Konferenz dazu auf, den Dialog miteinander und auch mit staatlichen, säkularen Organisationen fortzusetzen.
Die Kirchen und anderen religiösen Gruppen in Deutschland lobte er für ihre Rolle, als hunderttausende Flüchtlinge ankamen. „Sie haben die Willkommenskultur unterstützt, was sehr zur Bewältigung der Flüchtlingskrise beigetragen hat.“ Jedoch gebe es mittlerweile auch innerhalb der Kirchen vermehrt Fragen an diese Haltung und das Bedürfnis, die Rolle im Umgang mit der Flüchtlingspolitik zu diskutieren. „Religiöse Gemeinschaften müssen sehr um die Werte kämpfen, die dem Schutz von Flüchtlingen und dem eigenen Glauben zugrunde liegen“, stellte Bartsch fest.
Vom Kriegsgebiet zum Zufluchtsort
Ein derzeit ebenfalls bedeutendes Aufnahmeland von Flüchtlingen ist Uganda. Durch die gewaltsamen Konflikte im Südsudan und anderen Nachbarländern sind in den vergangenen Jahren über eine Million Flüchtlinge in das Land gekommen, vor allem in den Norden. Dort herrschte bis 2006 ebenfalls noch Krieg. „Es ist eine Erfolgsgeschichte, dass Norduganda, was erst ein Konfliktgebiet war, jetzt ein Ort ist, wo Menschen Zuflucht finden“, sagte Scheich Shaban Ramadhan Mubaje, Großmufti des Landes. Er ist Vorsitzender des Interreligiösen Rates von Uganda, der 2001 gegründet wurde, um Konflikte im Land zu lösen. Zusammen mit John Baptist Odama, dem Erzbischof von Gulu, stellte er die Arbeit des Rates vor. Das Ziel sei es aktuell, als religiöse Führer gemeinsam den Dialog mit Politischen Führungspersonen zu suchen, um das Land voranzubringen.
Bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2011 sei es zum Teil zu Gewalt gekommen. Der Rat habe das zum Anlass genommen, vor den Wahlen 2016 eine offene Debatte mit allen Präsidentschaftskandidaten durchzuführen. Zwar habe es danach auch Gewalt gegeben, aber deutlich weniger als zuvor. „Wir haben gemerkt, dass es notwendig ist, mit Politikern im Gespräch zu bleiben.“ Im Dezember 2018 wurde daraufhin der Uganda National Dialogue ins Leben gerufen.
Auf dessen Agenda steht etwa, einen Konsens zu erreichen über Werte, die die Gesellschaft prägen sollen; darüber, dass die wirtschaftliche Entwicklung allen Menschen dienen soll oder dass die Verfassung respektiert werden muss – auch von den führenden Politikern. „Die Nation gehört den Menschen, nicht den Politikern“, betonte Erzbischof Odama. Der Rat wolle dazu beitragen, dass die Interessen der Menschen gehört werden.
Von: Jonathan Steinert