Als der Bundestag kurz vor der Sommerpause 2017 die Einführung der „Ehe für alle“ beschloss, ging das nicht mit den Grundgesetz konform. Warum, erklärte der Rechtswissenschaftler Jörg Benedict von der Universität Rostock am Samstag auf einem Symposium des „Aktionsbündnisses für Ehe und Familie“, bekannt durch die Kundgebungen unter dem Motto „Demo für Alle“. Benedict führte aus, dass die Änderung des Paragraphen im Bürgerlichen Gesetzbuch zur Ehe nicht mit Artikel 6 des Grundgesetzes übereinkomme, wo der besondere Schutz von Ehe und Familie festgeschrieben ist. Benedict nannte Beispiele, um aufzuzeigen, dass eine Gesetzesänderung nicht automatisch das Grundgesetz außer Kraft setzen darf. Ändere der Gesetzgeber beispielsweise das Asylrecht dahingehend, dass jährlich nur 100 Personen Recht auf Asyl haben, gebe es einen Konflikt zwischen diesem Gesetz und dem Asylrecht im Grundgesetz. „Die Gesetzgebung ist immer an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden“, sagte er.
Für Benedict, der 2015 Autor einer gutachterlichen Stellungnahme zur gleichgeschlechtlichen Ehe für den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages war, ist die „Ehe für alle“ deshalb problematisch: „Eine Umdefinition der Verfassung durch eine parlamentarische Mehrheit ist vom Grundgesetz ausgeschlossen.“ Als Irland die „Ehe für alle“ einführte, sei dort dafür die Verfassung geändert worden – dafür ist in Deutschland eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat erforderlich.
Für die Autoren des Grundgesetzes war die Sache klar
Benedict nannte Argumente der Befürworter der sogenannten „Öffnung“ der Ehe, um diese anschließend zu entkräften. So habe es in der Bundestagsdebatte beispielsweise geheißen, 82 Prozent der Deutschen seien für die gleichgeschlechtliche Ehe. „Und wenn 82 Prozent die Mineralölsteuer zu hoch finden, müssen wir dann nur noch die Hälfte bezahlen?“ fragte er. Die These, die Autoren des Grundgesetzes hätten die Ehe bewusst nicht eng als zwischen Mann und Frau definiert, hält er für falsch: Die Verfassungsväter seien schlicht nicht auf die Idee gekommen, man könne unter Ehe etwas anderes verstehen als die Verbindung zwischen Mann und Frau.
Das legten auch frühere Urteile des Bundesverfassungsgerichts nahe: So habe das Gericht beispielsweise 1993 geurteilt, dass es keine Anhaltspunkte für einen grundlegenden Wandel des Eheverständnisses gebe dahingehend, dass das Geschlechtsmerkmal dafür keine prägende Bedeutung habe. Und bei der Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes unter der rot-grünen Bundesregierung 2002 hieß es aus Karlsruhe, die eingetragene Lebenspartnerschaft sei keine Ehe im Sinne der Definition in Paragraph 6. Die Ehe sei eine Institution, die gleichgeschlechtliche Paare wegen ihres gleichen Geschlechts nicht eingehen könnten.
Von Beverfoerde weist Hass-Vorwürfe zurück
Der Professor für Rechtsgeschichte und Rechtsphilosophie bezweifelt aber, dass eine verfassungsgerichtliche Normenkontrolle der „Ehe für alle“ zu deren Aufhebung führen würde. Das Aktionsbündnis „Demo für Alle“ versucht, die bayerische Landesregierung zu einer solchen Klage auf Normenkontrolle zu bewegen. Dogmatisch gesehen wäre eine solche Aufhebung zwar richtig, doch nach diesem Kriterium allein funktioniere die Rechtsprechung nicht mehr. Das Recht sei vielmehr Auslegungssache der Richter, die sich im ersten Senat des Bundesverfassungsgerichtes hauptsächlich aus Nominierten von SPD, Grünen, FDP und Union zusammensetzten. Es sei kaum denkbar, dass die Richter die Homo-Ehe kippen würden. Im Urteil zum Lebenspartnerschaftsgesetz von 2002 heiße es schließlich auch, der besondere Schutz der Ehe hindere „den Gesetzgeber nicht, für die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft Rechte und Pflichten vorzusehen, die denen der Ehe gleich oder nahe kommen“.
Rund 500 Besucher hatten sich zu der Tagung der „Demo für alle“ in Kelsterbach bei Frankfurt aufgemacht, etwa 2.500 Personen nahmen an einer Demonstration gegen die Veranstaltung in der Frankfurter Innenstadt teil. Dort sprachen Politiker unterschiedlicher Parteien, unter anderem Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD). Ein Sprecher des Lesben- und Schwulenverbands forderte Akzeptanz statt Toleranz.
Auch in Kelsterbach hatten sich Demonstranten eingefunden, die die Kongressteilnehmer auf dem Weg zur Halle mehrfach anpöbelten. Veranstalterin Hedwig von Beverfoerde nannte das große Polizeiaufgebot eine „absurde Situation“ in einer Demokratie. Sie werde das Thema „Ehe für alle“ aber nicht fallenlassen: Bei der Umdefinierung der Ehe handele es sich nicht um eine Lappalie, sondern es gehe ans Eingemachte. „Es geht um die die Urzelle des Gemeinwesen jeder Kultur, jeder Nation, jeder Gesellschaft – nämlich die Familie“, sagte von Beverfoerde. Dem Hass auf Andersdenkende, wie er von Gegnern der Veranstaltung unterstellt wurde, erklärte von Beverfoerde eine klare Absage: Jeder solle die Freiheit haben, sein Leben so zu gestalten, wie er es möchte.
„Größte Form der Ausbeutung der Frau“
Ein Themenschwerpunkt auf der Tagung war die Leihmutterschaft. Die Juristin und Bioethikerin Stephanie Merckens referierte dazu über die juristischen Fragen etwa zur Elternschaft, die sich aus einer möglichen Legalisierung ergeben könnten. Merckens ist Leiterin der Abteilung Politik am Institut für Ehe und Familie der Österreichischen Bischofskonferenz, zudem gehört sie der österreichischen Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt an. Merckens zitierte in ihrem Vortrag mehrfach die schwedische Feministin Kajsa Ekis Ekman, die in ihrem Buch „Ware Frau“ Menschenhandel und Ausbeutung von Frauen anprangert. Merckens betonte auch, wie breit in Europa die Ablehnung der Leihmutterschaft aufgestellt sei: Die katholische Kirche lehne diese ebenso ab wie Alice Schwarzer und zahlreiche feministische Verbände.
Die Journalistin und Autorin Birgit Kelle bezeichnete Leihmutterschaft als „größte Form der Ausbeutung und Degradierung der Frau“. Vor allem Frauen aus Thailand, Indien oder der Dritten Welt würden als Brutkasten gemietet, was gegen die Menschenwürde verstoße und die soziale Not der Frauen ausnutze. Der Organhandel sei zu Recht weltweit geächtet. „Kann mir jemand erklären, warum man keine Niere kaufen darf, aber ein ganzes Kind?“, fragte Kelle. Wer dafür plädiere, beim Thema Leihmutterschaft auch an die langfristigen Konsequenzen für die Beteiligten zu denken, werde als Spaßbremse dargestellt.
Kelle sagte, es seien nicht etwa konservative oder christliche Kreise, die eine Frau zur Gebärmaschine abwerteten. In diesen Kreisen würden Frauen wertgeschätzt. Frauen würden aber von denen abgewertet, die sie „mal eben als Brutkasten vermieten“ wollen.
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Von: Moritz Breckner